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Archiv-Artikel

Bei der Polizei hat’s endlich gefunkt

Nach jahrelangem Ringen haben sich Bund und Länder geeinigt: Bis 2010 soll der digitale Polizeifunk eingeführt sein – ein 3-Milliarden-Euro-Projekt

VON OTTO DIEDERICHS

Nach Jahren des Zauderns ging plötzlich alles ganz schnell. Am Dienstag einigte sich die Runde der Innenstaatssekretäre, wie ein digitales Funksystem für alle deutschen Sicherheits- und Ordnungsbehörden aufgebaut werden könnte. Eine für morgen geplante Sonderkonferenz der Innenminister ist damit nicht mehr nötig.

Das Funknetz werden neben Polizei und Geheimdiensten auch Feuerwehr, Rettungsdienste und Katastrophenschutzkräfte nutzen. Der Digitalfunk gilt als abhörsicher, zudem sollen Verbindungen ins Telefonnetz und später auch die Übertragung von Daten und Fotos möglich sein.

Fachleute hatten die Reform schon lange eingefordert. Denn beim Funkwesen ist europaweit nur noch Albanien rückständiger als die Bundesrepublik. Daher will im Herbst nun also auch Deutschland mit der Ausschreibung des rund drei Milliarden Euro teuren Projekts beginnen. Spätestens Ende 2010 soll der Betrieb aufgenommen werden. Das wäre die größte Innovation im Sicherheitsbereich seit den Siebzigerjahren.

Seit langem ist bekannt, dass der gegenwärtige Analogfunk störanfällig und hoffnungslos überaltert ist. Bereits in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre einigten sich die Innenminister daher grundsätzlich, die moderne Technik einzuführen. Über die Finanzierung aber konnten sich die Minister nicht verständigen. Mitte Februar hat daher Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) die Initiative übernommen und seinen Länderkollegen den Aufbau eines „Rumpfnetzes“ für seine Bundespolizei (vormals Bundesgrenzschutz) entlang der Bahnlinien angekündigt. Auf eigene Kosten sollen sich die einzelnen Bundesländer daran beteiligen und ihre eigenen Systeme aufbauen. Für diese „gewisse Brachialgewalt“ ist ihm der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, ausgesprochen dankbar. Einen „erfreulichen Durchbruch“ nennt der GdP-Chef die jetzige Entscheidung. Und auch Bernd Carstensen vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) spricht von einer „positiven Ausrichtung“.

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht, denn auf dem Markt werden drei verschiedene Systeme angeboten. Das modernste und in Europa am meisten verbreitete heißt Tetra (Terrestrial Trunked Radio). Zugleich ist es aber auch das teuerste. Mit ihm konkurriert das Tetrapol-System, mit dem die französische, tschechische, slowakische und rumänische Polizei arbeiten.

Um auf dem milliardenschweren Markt nicht den Anschluss zu verlieren, hat unterdessen auch ein großer Mobilfunkanbieter ein System entwickelt. Er verspricht einen raschen Aufbau des Netzes auf der Grundlage der bereits überall installierten Handy-Sendemasten. Technisch wäre dies möglich und von den Kosten her von keinem Konkurrenten zu unterbinden. Doch die Sache hat einen Haken: Alle drei Systeme sind untereinander nicht kompatibel. Um die Anfragen in ein anderes Bundesland oder die Polizei eines Nachbarstaates weiterzuleiten, wäre wieder eine herkömmliche Telefonverbindung notwendig. Soweit bekannt, ist die grundsätzliche Systementscheidung derzeit jedoch noch offen. „Grundlage der Vergabe ist der Telekommunikationsstandard … Tetra … oder ein funktional gleichwertiges System“, heißt es in einem Bericht des Bundesinnenministeriums, der der taz vorliegt. Bleibt es dabei, ist die Gefahr groß, dass nun an einem funktechnischen Flickenteppich gewebt wird. Konrad Freiberg übt sich indessen in Optimismus. „Es wird die Tetra-Technik werden“, sagt der GdP-Boss. Ganz so zuversichtlich ist Bernd Carstensen vom BDK nicht. Zwar spricht auch er von einer „Sogwirkung“, die nun auf die Bundesländer ausgeübt werde, verweist zugleich jedoch auf deren unterschiedliche Kassenlage.

Wie auch immer die Entscheidungen ausfallen werden, zur Fußballweltmeisterschaft 2006 wird es noch keinen Digitalfunk geben. „Der Einsatz wird analog bewältigt werden müssen“, sind sich Freiberg und Carstensen einig.