: Falschwähler kann Wahl kippen
Bei knappem Wahlausgang reicht schon ein falsche Stimme, um die Landtagswahl anzufechten. Deshalb drängt Landesregierung illegale Doppelstaatler dazu, ihren deutschen Pass zurückzugeben
VON NATALIE WIESMANN
Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen bietet viel Angriffsfläche: Wegen der Gefahr illegaler Urnengänger ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ihr Ergebnis angefochten wird. „Theoretisch reicht eine falsche Stimme, um den Wahlausgang in Frage zu stellen“, sagt Dagmar Pelzer, Sprecherin des NRW-Innenministeriums. Um Neuwahlen zu erwirken, muss jedoch bewiesen werden, dass die Stimme für das Ergebnis relevant war, legt das Landeswahlgesetz fest. „Je knapper der Ausgang, desto höher die Chance der Anfechtung“, so Pelzer. Anfechten dürfen Parteien sowie jeder einzelne Wahlberechtigte.
Zu einer Wahlannullierung könnten eingebürgerte Migranten beitragen, die entgegen den Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsrechtes zwei Pässe besitzen. Angestoßen wurde die Diskussion von der türkischen Regierung, nach deren Aussage 50.000 eingebürgerte Türken sich seit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2000 den türkischen Passs wiedergeholt haben. Die Landesregierung geht von bis zu 10.000 NRW-BürgerInnen aus, die per Gesetz ihren Status als Deutsche und somit auch ihre Wahlstimme verloren haben. Da sie aber nicht wirklich weiß, wer noch einen türkischen Pass besitzt, will 100.000 Eingebürgerte per Brief dazu befragen: „Wir können nur im eigenen Interesse der Menschen appellieren, dass sie die Wahrheit sagen“. Noch könne man eine Wiedereinbürgerung mit Wohlwollen behandeln. Die Landesregierung wird aber auch von einem anderen Interesse zur Briefaktion getrieben: „Wir wollen uns nicht von der CDU anhören, dass wir unser Wahlklientel schützen. Denn diese ging davon aus, dass eingebürgerte Türken auf jeden Fall SPD oder Grüne wählen.
„Wir gewinnen die Wahl so oder so“, sagt Thomas Kufen, migrationspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Auch seiner Partei ginge es in erster Linie nicht um das Wahlergebnis, sondern um die Menschen. „Da hängen auch Schicksale von Kindern dran“, so Kufen. Denn die betroffenen Türken hielten sich illegal hier auf. „Ob es datenschutzrechtlich in Ordnung ist, dass das Innenministerium sich bei den Ämtern die Adressen von eingebürgerten Türken holt, steht auf einem anderen Blatt“, sagt Kufen. Aber da wolle die CDU nicht so kleinlich sein. „Wir unterstützen die Briefaktion der Landesregierung“, sagt er.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat sich bisher vergeblich bemüht, an die Namen der illegalen Doppelstaatler zu kommen. Bei einem Deutschlandbesuch des türkischen Innenministers im April soll das Thema sicher noch einmal auf den Tisch kommen, bestätigt eine Sprecherin von Schily. Das NRW-Innenministerium setzt aber nicht auf diesen Termin: „Die türkische Regierung hat signalisiert, dass sie wegen interner Gesetze die Namen nicht preisgeben darf“, so Sprecherin Pelzer. „Die Wahl rückt näher, wir müssen selbst handeln“. Dass viele Wähler trotz Appell ihren türkischen Pass verschweigen werden, könne sie natürlich nicht ausschließen.