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Archiv-Artikel

GROSSE KOALITION IN KIEL – EINE ANDERE POLITIK IST DOCH NICHT MÖGLICH Herber Rückschlag für den Norden

Aus der Traum: Mit Heide Simonis Rückzug ist die Hoffnung auf ein anderes Regierungsmodell in Kiel, das sich am skandinavischen Konsensmodell orientiert, endgültig zerstört. Ein vom SSW toleriertes rot-grünes Bündnis wird es nicht mehr geben. Vermutlich kommt es jetzt zu einer großen Koalition – das erscheint zumindest wahrscheinlicher als Neuwahlen.

Diese nämlich wären tödlich für die SPD – in Schleswig-Holstein, aber auch auf Bundesebene. Rückte der traurige, der Leuchtfigur Simonis beraubte Wahlkampf im Norden noch weiter an das Datum der NRW-Wahl heran, würde sich der ohnehin schon angerichtete Schaden noch vergrößern. Die Genossen in Berlin werden ihren Kollegen also schon sanft den rechten Weg weisen. Und die CDU hat stets erklärt, sie werde der SPD die Türe offen halten.

So unerfreulich eine große Koalition ist – gegenüber Neuwahlen ist sie das kleinere Übel. Bei ihnen würde wohl nicht nur die SPD verlieren: Das Abstimmungsdesaster vom Donnerstag hat sicher nicht dazu beigetragen, das Vertrauen der Schleswig-Holsteiner in die Politikerkaste zu stärken. Bei einem erneuten Urnengang wäre eine niedrige Wahlbeteiligung zu befürchten, und die untergräbt die demokratische Legitimation des Parlaments.

Das rot-grün-blaue Modell ist gescheitert – vielleicht aus Eile und Hochmut, wie es Heide Simonis heute unterstellt wird. Für Schleswig-Holstein bedeutet das einen herben Rückschlag, denn das politische Konzept der drei Bündnispartner hätte eine Chance verdient: Ein Neuanfang in der Bildungspolitik mit dem langsamen Abschied vom dreigliedrigen Schulsystem wäre möglich gewesen. Auch die Kommunalreform, welche die Verwaltung der Gemeinden effektiver und kostengünstiger gemacht hätte, rückt bei einer großen Koalition erst mal wieder nach hinten auf die Tagesordnung, wenn SSW und Grüne als treibende Kräfte fehlen. So bald wird das Kieler Konsensmodell wohl keine neue Chance bekommen. Schade – für Schleswig-Holstein. ESTHER GEISSLINGER