: Dialektische Symbole
Konferenz „Wettkampf der Arenen“ beschäftigt sich mit Sein und Bewusstsein der neuen Massentempel
DÜSSELDORF taz ■ Die Fußball-WM im kommenden Jahr soll Deutschland erneuern. Wir alle werden sympathische Patrioten und fortan in der Welt als die freundlichsten Gastgeber überhaupt gelten. So träumen es jedenfalls die ideologischen Strategen, die die Wirkung der WM auf dieses Land zu steuern versuchen. Beeindruckende Arenen sollen all die hübschen Effekte verkörpern, verstärken und inszenieren, die das Sportereignis in den Träumen der Funktionäre und Politiker entfaltet. Allerdings enthalten sie gleichfalls Abgründe des gegenwärtigen Deutschlands, die von der WM übertüncht werden sollen. Auf der Konferenz „Wettkampf der Arenen“, die in der vergangenen Woche in der Düsseldorfer LTU-Arena stattfand, wurde diese Vielseitigkeit thematisiert.
Architekten, Ingenieure, Investoren, Betreiber, Bänker und Politiker näherten sich dem Phänomen Fußballstadion. Joachim Erwin (CDU), Düsseldorfs Oberbürgermeister, beweihräucherte sich und seine Düsseldorfer Arena derart, dass einige Anwesende nur mit dem Kopf schütteln konnten. „Das bekannteste Bauwerk von NRW“, sei das Stadion mittlerweile, verkündete er stolz, „damit der Wettkampf der Arenen weitergeht, bauen wir noch eine kleine Mulitifunktionsarena in Rath“. Die LTU-Arena konkurriert mit der Arena AufSchalke, das neue Eisstadion wird die Kölnarena und die Arena Oberhausen in Schwierigkeiten bringen. „Meine Informationen sind, dass alle bisherigen Düsseldorfer Veranstaltungen gerade die Betriebskosten eingespielt haben“, sagte Günter Vornholz, Finanzierungsexperte der Norddeutschen Landesbank. Da kann die privat betriebene Konkurrenz natürlich nur verlieren.
Schalke 04 dürfte mittelfristig in ernste Schwierigkeiten geraten. „Der Verlierer ist immer der Steuerzahler“, wie der Ingenieur Thomas Fürst anmerkte. „Es gibt kein Stadion, das sich rechnet.“ Stadien haben allerdings eine viel umfassendere Funktion als eine Fabrikhalle, und dürfen nicht ausschließlich an der Wirtschaftlichkeit gemessen werden. Stadien sind Symbole, sie sind emotionalisierte Ikonen, dienen als Instrument für allerlei weitreichende Effekte. Der Architekt Volkwin Marg, in dessen Büro „gmp“ die siegreichen Entwürfe für die neuen Stadien in Köln, Frankfurt, den Umbau des Berliner Olympiastadions oder das Olympiastadion für Peking 2008 entstanden, warf einen philosophisch-nachdenklichen Blick auf das Phänomen Stadion.
„Das Ziel des Fußballstadions ist die Auflösung des kritischen Einzelwesens und die Unterordnung unter eine emotionalisierte Masse. Wie gefährlich das politisch ist, können Sie sich denken“, sagte er. Überlegungen in diese Richtung sind fast verschwunden aus einer deutschen Gegenwart, in der die Politik sich zuletzt nicht mit Hilfe von Massenerfahrungen inszenierte, und in deren jüngster Geschichte das Freiheit und Individualismus verkörpernde Modell Münchner Olympiastadions als moralisch unzweifelhaftes Beispiel glänzt. Ein Auslaufmodell. Den Machern der politisch initiierten Kampagne „FC Deutschland 06“ geht es eher um wirtschaftliche Ziele und um Macht. Was im gigantischen Stadion von Peking, das von den Schweizer Architekten Herzog und de Meuron entworfen wurde, passieren soll, wird auch erstmal zu beobachten sein. „Das ist alles eine hochpolitische Nummer“, sagte Marg, Die Stadien als Mittelpunkt einer Choreographie der Massen werden Deutschland aus Anlass der WM noch intensiver beschäftigen. DANIEL THEWELEIT