: Reise nach innen
Ohne Ziel und Zeitdruck: Markku Peltola, der „Mann ohne Vergangenheit“, ließ seine Songs ruhig traben
Wozu geht man zu einem Konzert? Wegen eines charismatischen Sängers. Wegen einnehmender Melodien oder einer reellen Rockshow. Als am Wochenende in der Kulturbrauerei Markku Peltola & Band die Bühne betreten, ist von alledem nichts gegeben. Statt einem charismatischen Sänger gibt es gar keinen Sänger. Auch keine Ohrwürmer. Und eine Lautstärke, die kaum beeindruckender ist als die, die friedlich spielende Kinder erzeugen. Wahrscheinlich sind die Besucher nur deshalb so zahlreich erschienen, weil Markku Peltola der Hauptdarsteller aus Aki Kaurismäkis „Mann ohne Vergangenheit“ ist: wegen der Ehrlichkeit und Wehmut, die er in diesem Film verkörpert.
Man merkt auf diesem Konzert sehr schnell, dass dieser Mann nicht Musik macht, weil das unter Schauspielern Mode geworden ist, sondern weil er es zutiefst genießt. Da ist die Tatsache, dass die Leute nach einer Weile auf seine Stücke anspringen, nur angenehmer Nebeneffekt; Applaus wird maximal mit einem Nicken quittiert. Die sechs Musiker um ihn herum spielen eine zurückgenommene Mischung aus Country und Blues, Jazz und Folklore. Viele Wiederholungen mit kleinen Variationen, demokratisch weitergereichte, unaufdringliche Soli. Dabei sehen die Finnen aus, als würden sie reiten, ohne Ziel und Zeitdruck, mit Blick nach nirgendwo. Und irgendwie kennt man diese ruhig dahintrabenden Klänge, allerdings ohne dass man sie verorten könnte.
So befindet man sich nach wenigen Stücken in einem räumlich-zeitlichen Vakuum und spinnt sich ein paar Thesen zusammen. Beispiele: Helsinkier halten sich an die Uhrzeit der Konzertankündigung, die hierzulande verbreitete Idee des selbst aufwertenden Wartenlassens ist ihnen viel zu kompliziert. Oder: Finnen tragen selbst in geheizten Innenträumen gern Kopfbedeckung (4 von 6 Bandmitgliedern), das stärkt die Konzentration und schützt vor einer zu hohen Durchlässigkeit zwischen Eigen- und Fremdgehirn – Markku Peltola trägt die dickste Mütze, Pelz. Oder: In heutigen Zeiten gewinnt, wer sein Ziel sparsam erreicht. Drei verbale Kontaktaufnahmen reichen zur Verständigung aus: „Now we play for you“, „Yeeh yeeh“, „Achtung! Achtung! Last song!“
Nach neunzig Minuten meditativen Schwelgens wippen fast alle Zuhörer dezent mit dem Kopf und verlassen anschließend mit zufriedenem Lächeln das Gelände. Finnische Konzerte können wie eine Reise nach innen sein. ELINA KRITZOKAT