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Archiv-Artikel

SPD feuert scharf auf grüne Meads-Gegner

Die Front der Grünen gegen Strucks Raketenabwehr-Pläne erzürnt die Verteidigungsexperten der SPD-Fraktion

BERLIN taz ■ Führende Verteidigungsexperten der SPD-Fraktion warnen die Grünen vor einer Eskalation im Streit um das Raketenabwehrsystem Meads (Medium Extended Air Defense System). Wegen des grünen Widerstands gegen das amerikanisch-deutsch-italienische Rüstungsprojekt hatte der Bundestag vergangene Woche die Entscheidung über die Freigabe des deutschen Anteils an den Entwicklungskosten zunächst vertagt. „Es geht nicht, dass eine Fraktion der Bundeswehr erklärt, was sie braucht und was nicht“, sagte SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels der taz.

Der Sozialdemokrat fordert, dass das Projekt im April genehmigt wird. Das Thema Meads sei über Jahre in den Gremien erörtert worden. Er könne sich nicht vorstellen, so Bartels, „dass die Grünen ernsthaft einen Koalitionskrach anfangen wollen“.

Auch in einem von Bartels und seinem Kollegen Rainer Arnold verfassten vertraulichen Brief an SPD-Fraktionschef Franz Müntefering beklagen die Verteidigungspolitiker ein „politisches Taktieren“ der Grünen. Das Verhalten des Koalitionspartners stelle „die ganze Rüstungsplanung der Bundeswehr in Frage“ und sei „nicht hinnehmbar“.

Die rhetorische Aufrüstung könnte darauf hindeuten, dass einige sozialdemokratische Meads-Befürworter ernsthaft um das Projekt fürchten. Offenbar ist weiter unklar, ob die Grünen bei ihrer Ablehnung bleiben und der Haushaltsausschuss damit auch bei den nächsten Sitzungen im April dem Großprojekt sein Plazet verweigert. Sollte es „spätestens im April“ keine Entscheidung geben, fordern die SPD-Abgeordneten in ihrem Schreiben an Müntefering, sei „eine Klärung in den Koalitionsgesprächen“ erforderlich.

„Ich halte solche Drohgebärden für wenig sinnvoll“, kommentiert der grüne Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei die Drohgebärden aus der SPD. „Die Befürworter von Meads sollten lieber überdenken, ob ein solches System finanziell prioritär und verantwortbar ist.“ Interesse an einem großen Krach gebe es, schon wegen der politischen Großlage, aber auch auf grüner Seite nicht.

Offenbar um eine Eskalation abzuwenden, sollen nach Informationen aus Koalitionskreisen nach Ostern Gespräche auf der Ebene beider Fraktionsführungen mit Verteidigungsminister Peter Struck stattfinden. Vergangene Woche war über einige Medien gestreut worden, das Ja zu Meads solle den Grünen durch eine Streichung der umstrittenen Panzerabwehrwaffe Pars-3 von Strucks Wunschliste erleichtert werden. Von grüner Seite wurde dies als „nicht zutreffende Spekulation“ abgetan. Aber auch in SPD-Kreisen gilt das Junktim als unrealistisch, schon weil Pars-3 eher ein Projekt der nächsten Legislaturperiode ist.

Die Befürworter scheinen sich deshalb darauf zu konzentrieren, die vom Bundesrechnungshof geäußerten Bedenken zu entkräften. Strucks Ministerium hat den Haushaltsprüfern ein 45-seitiges vertrauliches Antwortschreiben geschickt. Auszuräumen sind vor allem eklatante Diskrepanzen in der Schätzung der Gesamtkosten. Etwa 3,5 Milliarden Euro veranschlagt die Regierung, der Rechnungshof geht von sechs Milliarden aus.

Meads-Kritiker bemängeln, die von der Bundesregierung prognostizierten Kosten pro System seien unrealistisch. Die Mengen der als Bedarf angemeldeten Systeme schwankten beträchtlich. Würden kleinere Mengen beschafft, könne der Stückpreis erheblich steigen. Nach Angaben des Rüstungsfachblattes Defense News enthält ein im Verteidigungsministerium verfasster vertraulicher Finanzierungsplan für Meads tatsächlich keine präzisen Angaben über die Beschaffungskosten. Vielmehr könnten die Kosten dem Papier zufolge erst im Jahr 2012 geschätzt werden.

ERIC CHAUVISTRÉ