Modell A, Modell B

Zwei Varianten für den erweiterten Sicherheitsrat werden diskutiert

GENF taz ■ Wer – wie die Bundesregierung – von UNO-Generalsekretär Kofi Annan einen Vorschlag für eine Reform des Sicherheitsrates inklusive der Schaffung neuer ständiger Sitze erhofft hatte, sieht sich enttäuscht. Wie die von Annan eingesetzte Reformkommission im letzten Dezember, befürwortet auch der Generalsekretär lediglich grundsätzlich eine Erweiterung des Rates. Er zitiert zwar die beiden damals von der Kommission vorgelegten Erweiterungsmodelle, enthält sich aber jeglicher Empfehlung für eine der beiden Varianten und hält gar „darauf basierende neue Vorschläge“ für denkbar.

Beide Modelle schlagen eine Erweiterung des Rates von heute 15 um neun auf 24 Mitglieder vor. In beiden Fällen sollen je sechs Ratsmitglieder aus vier neu geordneten Regionalgruppen der Generalversammlung kommen: Afrika, Asien, Amerika (Nord und Süd) und Europa (mit Russland). Bei beiden Modellen bleibt es bei den bisherigen fünf ständigen Mitgliedern mit Vetorecht: USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien. Modell A sieht vor, dass sechs der neun Neumitglieder einen ständigen Sitz erhalten – allerdings ohne das von der Bundesregierung für Deutschland geforderte Veto. Die drei weiteren Neulinge wären nichtständige Mitglieder, die wie bislang dem Rat zwei Jahre angehören.

Modell B sieht keine neuen ständigen Sitze vor. Stattdessen ist eine neue Kategorie von Staaten vorgesehen, die als nichtständige Mitglieder für vier Jahre und mit direkter Wiederwahlmöglichkeit dem Rat angehören. Für die Bundesregierung kommt dieses „Dreiklassenmodell“ nicht in Frage. Sie will, gemeinsam mit Brasilien, Japan und Südafrika, Modell A durchsetzen und geht davon aus, dass auf diese Weise ein neuer ständiger Sitz für Europa automatisch Deutschland zufällt. Kommt es in der Generalversammlung nicht zum Konsens über eines der beiden Modelle, wäre bei einer Kampfabstimmung mindestens eine Zweidrittelmehrheit von 128 der 191 UNO-Staaten erforderlich – inklusive der Zustimmung der derzeitigen ständigen Ratsmitglieder.

Mit Blick auf eine Reform der Menschenrechtskommission (MRK), die wegen mangelnder Glaubwürdigkeit und Effektivität in der Kritik steht, hat Annan nicht den Vorschlag seiner Reformkommission übernommen, dieses 53-Staaten-Gremium zu „universalieren“, also die Mitgliedschaft de facto auf alle 191 UNO-Staaten auszuweiten. Stattdessen schlägt er vor, die MRK in ihrer heutigen Form abzuschaffen und durch einen kleineren „Menschenrechtsrat“ zu ersetzen. Dessen Mitglieder sollen von der Generalversammlung mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden. Kandidaten für das Gremium müssten die wichtigsten Menschenrechtsnormen erfüllen, schreibt Annan. Er hält es für „vorstellbar“, diesen Menschenrechtsrat sogar zu einer dem Sicherheitsrat gleichwertigen Kerninstitution der UNO aufzuwerten. Des Weitereren plädiert Annan dafür, die MRK bzw. einen künftigen Menschenrechtsrat sowie das Genfer Hochkommissariat für Menschenrechte finanziell und personell deutlich besser auszustatten als bisher.

Zur Verbesserung der Terrorbekämpfung hält Annan es für „unerlässlich“, dass die Mitgliedstaaten der Generalversammlung noch in diesem Jahr die „Anti-Terrorismus-Konvention“ verabschieden, über die seit über sieben Jahre verhandelt wird. In deren Entwurf fehlt nur noch eine Terrorismusdefinition, auf die sich die Mitgliedstaaten nicht einigen können. Annan empfiehlt die Definition, die seine Reformkommission im Dezember vorgeschlagen hat.

Schließlich drängt der Generalsekretär die offiziell anerkannten Atomwaffenstaaten USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien, ihren Abrüstungsverpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) endlich nachzukommen. Umgekehrt sollten – evtl. durch Zusatzprotokolle zum NPT – „freiwillige Anreize“ geschaffen werden für die Nicht-Atwomwaffenstaaten, auf Verfahren der Unranreicherung und der Plutoniumproduktion zu verzichten. Zur Atomstromgewinnung erforderliche Brennstoffe könnten die einzelnen Staaten künftig von der Internationalen Atomenergieorganisation zugeteilt bekommen. ANDREAS ZUMACH