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Archiv-Artikel

Chanel ganz nackt

Die Doku-Soap „Im Hause Chanel“ entblättert den zarten Mythos der Haute Couture (Mo.–Fr., 20.15 Uhr, Arte)

„Non, non, non, non, non, non!“, sind Monsieur Karls erste Worte. Die Kamera folgt ihm über den schmalen Flur und will gerade ins Zimmer hinein: Da hebt der Meister abwehrend die Hand. Ein wenig scherzhaft zwar. Doch Monsieur heißt mit Nachnamen Lagerfeld. Und wenn er ein Filmteam ins Stammhaus von Chanel in der Rue Cambon lässt, dann will er bestimmen. Aber der Loïc Prigent drängt gleich mit den ersten Einstellungen seiner fünfteiligen Doku-Soap „Im Hause Chanel“ unbeirrt in die profane Mitte des Modehauses – zum widerspenstigen Modell.

Prigents Dokumentation über eines der letzten großen Couture-Häuser – jeder der fünf Teile konzentriert sich auf einen anderen Protagonisten – beginnt mit dem Schluss: Das letzte maßgefertigte Kleid der Saison wird ausgeliefert. Man fuchtelt also mit einem ordinären Dampfbügeleisen an einem Ausschnitt herum, der Falten wirft, was nicht sein soll. Im Ritz sitzt schon die Kundin, das edle Stück soll in Kürze bei ihr sein, noch aber hängt es auf der Schneiderpuppe und – „merde“ – jetzt hat es auch noch eine Bügelspur.

Dann endlich kann der Modezyklus von vorn beginnen, mit den Entwürfen, den Zeichnungen, und das heißt: mit dem „Warten auf ‚Monsieur Karl‘ “. – „Er fährt jetzt zu Hause los“, „er ist jetzt unten“: Nachrichten, die hektisch weitertelefoniert werden, bis das ganze Haus in Aufregung ist. Längst hat Madame Martine, die erste Schneiderin, ihren weißen Kittel gegen einen Blazer getauscht und entlädt sich in Schwärmerei über die Kollektionsentwürfe, die Lagerfeld ausbreitet. Später, wenn Schnitte daraus werden sollen, beugen sich andere Schneiderinnen darüber: „Eine Sauklaue!“

All die Schneiderinnen, die Loïc Prigent in Abwesenheit des Meisters einfängt, agieren zunächst ein wenig befangen, aber dennoch recht unverstellt – sie ignorieren fast die Kamera. Es ist dieser gleichsam unbeobachtete Blick ins Zentrum der Glamourproduktion, der „Im Hause Chanel“ den Reiz verleiht.

Zugleich sind es die Differenzen zwischen dem Image von Chanel und, etwa, der gedrungenen Prèmiere mit dem reizend spitzen Näschen, bei der Chanel nur in Gestalt des kleinen schwarzen Näh-Necessaires mit Chanel-Steppung vorkommt. Wenn die restlichen Folgen fortsetzten, was die erste beginnt, dann hat Loïc Prigent am Ende seiner „Doku-Soap“ erfolgreich die Entglamourisierung des Hauses Chanel betrieben. Was ließe das „Soap“ an der „Doku“ auch anderes erwarten als einen zumindest auch amüsierten Blick mit Sinn fürs Exaltierte. Und wenn alles gut geht, dann gilt in Sachen Faszination dennoch: Sie ist hinterher größer als zuvor. KATRIN KRUSE