Einmal US-Soldat, immer US-Soldat

GI will aus der US-Armee aussteigen, darf aber nicht. Vor Gericht spricht er von „sklavereiähnlichen Verhältnissen“

DARMSTADT taz ■ Die „Amis“ sind ein religiöses und fleißiges Volk. Ostermontag ist Werktag. Gearbeitet haben gestern auch die Richter, Ankläger und Verteidiger an einem Kriegsgericht des V. Corps der US-Armee in Europa auf einem Stützpunkt im südhessischen Darmstadt. Im Gerichtsaal der Cambrai Fritsch Kaserne musste sich der 23 Jahre alte Soldat Blake LeMoine wegen des Vorwurfs der „Befehlsverweigerung“ verantworten.

Der GI war 2002 freiwillig in die US-Armee eingetreten und ein Jahr lang im Irak stationiert. Am 10. Januar 2005 erklärte er, dass er beabsichtige, aus der US-Armee auszutreten. Zeitgleich stellte LeMoine einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung. Um seiner Forderung auf Entlassung Nachdruck zu verleihen, trat er am 17. Januar zum ersten Mal in einen Hungerstreik. Nach einem Monat hätten ihm Vorgesetzte seine bevorstehende Entlassung signalisiert und er habe den Streik beendet, erklärte LeMoine gestern vor dem Militärgericht. Doch kurz darauf – am 4. März – wurde er wegen „Befehlsverweigerung“ angeklagt und seine Dienstzeit willkürlich bis Oktober verlängert. Der Artillerist, der im Irak wegen Tapferkeit ausgezeichnet worden war, verweigerte erneut die Nahrungsaufnahme und hat bereits 28 Pfund Gewicht verloren. Die US-Streitkräfte können das Ende der Dienstzeit eines GI mit einem „Entlassungsstopp“ (Stop Loss Order) auf unbestimmte Zeit verzögern, was vor allem in Kriegszeiten praktiziert wird.

Vor dem Court berichtete LeMoine, dass er nach dem 11. September 2001 in die US-Armee eingetreten sei, um sein Land zu verteidigen. Er habe einen Dreijahresvertrag mit dem Verteidigungsministerium abgeschlossen und sei 2003 in den Irak abkommandiert worden. Die Kriegführung der US-Streitkräfte dort habe ihn jedoch „völlig desillusioniert“ und es sei ihm „scheinheilig“ vorgekommen, weiter einer Armee zu dienen, die eine Politik verfolge, die seinen Überzeugungen widerspreche. Folgerichtig habe er dann einseitig seinen Austritt erklärt und den Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt, obgleich er kein Pazifist sei und sein Antrag deshalb nur wenig Aussicht auf Erfolg habe. Aber schon der Einmarsch der USA in den Irak sei mit seinen politischen und religiösen Überzeugungen nicht vereinbar gewesen.

Wie am Rande der Verhandlung vor dem Militärgericht bekannt wurde, stellten 2004 rund 80 GIs – von insgesamt knapp 700.000 Angehörigen der US-Armee und der Marine – einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung; 34 davon wurden anerkannt. Abgelehnten Antragstellern steht der Gang vor ein Bundesgericht der USA offen.

Im Kern geht es LeMoine in dem Verfahren allerdings darum, den Nachweis dafür zu erbringen, dass sich ein Soldat der US-Streitkräfte nach Vertragsabschluss „sklavereiähnlichen Verhältnissen“ zu unterwerfen habe. „Es ist wahr; die Wehrpflicht ist in den Staaten nicht in Kraft. Niemand wird gezwungen, zum Militär zu gehen. Aber es ist wie eine Mausefalle. Man kommt rein, doch nicht wieder raus“, so LeMoine. Dabei garantiere der Artikel 13 der US-Verfassung, dass kein Bürger der USA versklavt werden dürfe oder Zwangsarbeit ableisten müsse. Doch das Militärgesetzbuch, so LeMoine, setze diesen Artikel außer Kraft: „Er gilt nicht für Soldatinnen und Soldaten!“ Die Veteranenorganisation „Stop the War Brigade“ erklärte im Vorfeld des Verfahrens, dass auch deshalb schon „tausende von GIs im Irak desertiert“ seien. Sollte LeMoine wegen „Befehlsverweigerung“ verurteilt werden, drohen im eine Haftstrafe und die „unehrenhafte Entlassung“ aus der US-Armee.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT