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Archiv-Artikel

„Mangel verwalten“

FAMILIEN Die Soziologin Uta Meier-Gräwe fordert mehr Geld für familiennahe Dienstleistungen

Uta Meier-Gräwe

■ 57, ist Professorin für Familienwissenschaft in Gießen. Von 2006 bis 2009 Mitglied im Kompetenzteam des Familienministeriums.

taz: Frau Meier-Gräwe, sind Familie und Beruf heute miteinander vereinbar?

Uta Meier-Gräwe: Es hat nach den vielen Jahrzehnten, in denen galt, dass einzig die Mutter für eine Rundumbetreuung des Kindes zuständig ist, ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Heute haben wir eine moderne Familienpolitik, die es jungen Frauen ermöglicht, ihre Karriere mit dem Kinderkriegen zu vereinen. Zumindest auf dem Papier.

Wie ist die Situation von jungen Eltern konkret?

Etwa ein Viertel der Eltern spürt keine Veränderung beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Für die Eliten wird zwar eine ganze Menge getan, etwa mittels der familiengerechten Hochschule. Wir sehen aber auch die steigende Zahl der Kinder, die in Armut oder in prekären Verhältnissen leben.

Werden Kinder aus guten Verhältnissen bevorzugt?

In den Regionen, wo die benachteiligten Kinder leben, ist das Betreuungsangebot gemessen am Bedarf viel zu niedrig. Von der Leyen will bis zum Jahr 2013 den Anteil der unter Dreijährigen, die in einer Betreuung sind, von aktuell 12 auf 35 Prozent anheben. Damit wird aber nur der Mangel verwaltet, denn angesichts der knappen Betreuungsangebote werden wiederum die gut verdienenden Familien profitieren. Zumal 65 Prozent der Kinder weiter zu Hause betreut werden würden, was gerade für Kinder aus benachteiligten Milieus überhaupt nicht gut ist.

Laut Allensbach spüren vor allem Väter mit minderjährigen Kindern die Folgen der Wirtschaftskrise. Was folgt daraus?

Das bedeutet vor allem, dass die Einkommen der Mütter immer wichtiger werden. Deswegen muss man die Bereiche, in denen Frauen arbeiten, viel mehr fördern. Die Konjunkturprogramme der Regierung müssten daher verstärkt der Kinderbetreuung zugute kommen. Und ohnehin gilt: Immer mehr Frauen arbeiten heute in technischen Berufen. Genauso sollten Männer vermehrt in sozialen Dienstleistungsberufen arbeiten.

INTERVIEW: MILAN JAEGER