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Archiv-Artikel

Wo die Schinken geschändet werden

VERBRAUCHERSCHUTZ Mit der Lebensmittelsicherheit nehmen es manche Hersteller in Niedersachsen nicht so genau. Bis Pfuscher und Panscher namentlich bekannt gegeben werden, wird es noch dauern

Wer bekommt schon gerne Knochenputz, wenn er Pizza prosciutto bestellt?

Niedersachsen, Land der Nahrungsfälscher: Von 100 Schinkenproben, die das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) vorwiegend in Pizzerien, Gaststätten und so genannten Backeterien gezogen hat, waren 90 zu beanstanden, auch die Käseimitate sind auf dem Vormarsch. So steht es im Verbraucherschutzbericht 2008, den das Amt demnächst veröffentlicht. Das zuständige Ministerium sieht das „kontrollierte Genussland Niedersachsen“ indes nicht in Gefahr und liest aus den Laves-Zahlen vielmehr einen funktionierenden Verbraucherschutz ab.

Ähnliche Ergebnisse hatte das Amt schon 2007 herausgegeben. Damals entsprachen von 130 getesteten Schinkenerzeugnissen 89 nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Standards. Das sei zwar meist nicht gesundheitsgefährdend, ließ das Verbraucherschutzministerium mitteilen – aber es kann dem Endverbraucher gründlich den Appetit verderben: Wer bekommt schon gerne Knochenputz oder mit Wasser aufgeblähtes Pressfleisch serviert, wenn er Pizza prosciutto oder eine Käseschinkenbrezel bestellt?

Nicht betoffen sind laut Laves kleine Handwerksbetriebe. Um nun den inhabergeführten Bäcker an der Ecke nicht wegen der Fehlhandlungen Anderer unter Generalverdacht zu stellen, wäre es das einfachste, die schwarzen Schafe namentlich zu nennen, findet Hedi Grunewald von der Verbaucherzentrale Niedersachsen. Eine Maßnahme, die durch das Verbraucherinformationsgesetz gedeckt und obendrein im Interesse der Konsumenten ist. Aber da mauert das Land hartnäckiger als jedes andere, weiß Grunewald.

Die Frage, wer denn nun zwischen Ems und Elbe die Schinken schändet, habe sie dem Ministerium erstmals „am 21. Mai 2008 gestellt“, berichtet die Verbraucherschützerin. „Die Nachricht, dass bald eine Antwort kommt, ging am 13. Juli 2009 ein.“ Nun müsse die Widerspruchsfrist abgewartet werden und eventuell eine anhängige Klage. Bis die Öffentlichkeit die Namen von Schinken- und Käse-Übeltätern erfahre, „kann es drei Jahre dauern“. MICHAEL QUASTHOFF