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Archiv-Artikel

Es ist einfach Rockmusik. Jerx und The Band On The Edge Of Forever kennen die internationalen Vorgaben

Es schien lange unmöglich, ist aber doch so: Männliche Jugendliche wachsen heutzutage nicht mehr notgedrungen auf mit der Sorte Träumen, die vor einem Spiegel mit einem Badminton-Schläger nachzustellen sind. Allerdings haben das Mikrofon, in das ein Rapper seine Reime bellt, oder die Maus, mit der das digitale Audiobearbeitungsprogramm bedient wird, lange noch nicht die sexuelle Ausstrahlungskraft einer elektrifizierten Gitarre erreicht. Weshalb sich dann eben auch heute immer noch genug junge Männer finden, die eine Rockband gründen, die Jerx nennen und dann dazu komplett aus Österreich in den Wedding umziehen, um hier doch noch die große Karriere zu machen.

Nun kann man sich ganz allgemein fragen, ob Berlin unbedingt der richtige Ort ist, von dem aus man mit englischsprachigem Gitarrenrock berühmt werden kann. Im speziellen Falle von Jerx fehlt auch noch das Alleinstellungsmerkmal. Sicherlich dröhnt das Quartett auf seinem zweiten Album „See U Soon“ ganz formidabel, sind die Laut-leise-Effekte handwerklich prima herausgearbeitet, und die Refrains mühen sich mächtig Ohrwurmqualitäten zu entwickeln: Aber bei jedem der nahezu klinisch sauberen Songs fragt man sich, wo man denn den schon mal gehört hat und an welche Band einen das jetzt erinnert. Die Bands fallen einem dann aber nicht ein, wahrscheinlich weil sie auch schon kaum erinnerungswürdig waren. Jerx selbst reklamieren, „dass perfekt arrangierte Rocksongs nicht Privileg durchgestylter Bands aus Amerika sind“. Das kann man sicherlich so unterschreiben, aber die Frage sei erlaubt: Warum sollte man eine durchgestylte Band aus Berlin dem durchgestylten Original aus den USA vorziehen? Lokalpatriotismus ist nun mal kein musikalisches Argument.

Für The Band On The Edge Of Forever war der Weg nicht ganz so weit. Die vier zogen nur aus Neubrandenburg nach Berlin, aber auch mit ihnen kann man ganz vorzüglich das Wiedererkennungsspielchen spielen. Doch zu ihrem selbstbetitelten Debütalbum fallen einem tatsächlich ein paar Namen ein: „Holiday“ fehlt zu Coldplay nur ein Piano, „Skåne Girl“ könnte von Maroon 5 sein, und auch der ganze Rest klingt nach einer gut ausgekochten Essenz aus dem abgesicherten Poprock von Bands wie Matchbox 20, Keane oder Travis. Hilfreich ist dabei, dass Sänger Volker Neumann, der hauptberuflich als Internist im Krankenhaus Dienst schiebt, stolperfrei Englisch singen kann. Und weil Mainstream ja grundsätzlich nichts Böses sein muss, darf man ruhig mal zugeben, dass tatsächlich schon lange keine deutsche Band zu hören war, die so souverän und selbstverständlich die internationalen Vorgaben umgesetzt hat.

So gelungen geriet die Kopie der großen weiten Welt, dass selbst der jedes überflüssigen Tellerrandhinausblickens unverdächtige Tagesspiegel ganz begeistert war und die Band On The Edge Of Forever mit Vokabeln wie „imposant-reif“ und „weltgewandt“ adelte. Das allerdings muss man dann doch wieder mit Lokalpatriotismus entschuldigen. THOMAS WINKLER

■ Jerx: „See U Soon“ (Maintheme Records/Soulfood), live 18.7. bei Rock im Grünen, Parkbühne Biesdorf; 23.7. Solikonzert für das SO36

■ The Band On The Edge Of Forever (GIM Records)