They hired a Krähen-Killer

Vogeltötung von Amts wegen: Weil Rabenkrähe und Elster die Bestände von Feldhase, Rebhuhn und Kiebitz bedrohen, werden sie im Landkreis Leer planmäßig geschlachtet. Tierschützer heulen auf

von Kai Schöneberg

Sind es nachtaktive Prädatoren, also Marder und Füchse, die moderne Landwirtschaft oder die gemeine Rabenkrähe, die Feldhase, Rebhuhn und Kiebitz den Garaus macht? Um die angeblich zu großen Bestände von Corvus Corone tobt derzeit in Niedersachsen ein Streit, der dramatechnisch kaum hinter Hitchcocks „Vögel“ zurücksteht.

„Fressen und gefressen werden“, sagt dazu Hans-Helmut Mehls, Referatsleiter im Landwirtschaftsministerium in Hannover. Er meint damit, dass sich die klugen und anpassungsfähigen Krähen und Elstern so stark vermehrt haben, dass ihre Beutetiere bedrohlich dezimiert sind. 64.000 Euro zahlt das Land deshalb für einen höchst umstrittenen Versuch im Landkreis Leer.

Im vergangenen Jahr wurden 5.057 Rabenkrähen und 526 Elstern in zwei mal drei Meter großen Käfigen gefangen und anschließend mit einem gezielten Schlag auf den Kopf getötet. Das sei gemäß der Geflügel-Schlachtverordnung, so „müssen die Tiere nicht leiden“, sagt Mehls. Eine andere Tötungsmethode sei quasi unmöglich, weil die intelligenten Rabenkrähen Jäger auf 200 Meter Entfernung erkennen. „Beifang“ gab es auch: über 200 bedrohte Eulen, Falken, Habichte, Dohlen und Saatkrähen. Nach Angaben des Nabu sollen beim Krähen-Killen elf der geschützen Tiere umgekommen sein, das Ministerium gesteht einen toten Bussard ein.

Die Wogen schlagen hoch. Es sei längst wissenschaftlich erwiesen, dass die Rabenkrähen kaum zur Gefährdung der Wiesenbrüter beitrügen, das Ganze sei ein „pseudowissenschaftliches Tötungsprojekt“, wettern die Landtags-Grünen. Der Landwirtschaftsminister sei ein „Vogelmörder“, meint der Deutsche Tierschutzbund. Bislang gingen bei der Staatsanwaltschaft Leer ein Dutzend Strafanzeigen selbst gegen Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) ein, der Nabu hat Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht. Und aus Berlin schaltete sich der grüne Umweltminister Jürgen Trittin in das bundesweit einzigartige Projekt ein: Die flächendeckende Rabentötung sei „wissenschaftlich zweifelhaft und unnötig“, der Einsatz der 150 im Landkreis eingesetzten Käfigfallen EU-weit verboten.

Nur per Ausnahmegenehmigung durften die Jäger diese Fallen benutzen Die Legalisierung der wie Fischreusen funktionierenden Käfige sei das eigentliche Ziel des Versuchs, argwöhnen Naturschützer. Pikant ist auch, dass der Leiter der Studie, Klaus Pohlmeyer von der Tierärztlichen Hochschule in Hannover, gleichzeitig Chef der Landesjägerschaft ist. Gestern lief Phase 1 des Versuchs ab. Bis August ist erst einmal „Schonzeit“. Inzwischen soll das Krähenmorden wissenschaftlich diskutiert werden, „um die Diskussion zu versachlichen“, betont Referatsleiter Mehls. Allerdings bestehe „keine Veranlassung, das Projekt vorschnell zu beenden“.