: Aus drei mach eins
WAZ-ZENTRALREDAKTION Das Ruhrgebiet hat eine weniger vielfältige Presse – und NRW plötzlich eine Regierungssprecher-Affäre
VON BORIS ROSENKRANZ UND STEFFEN GRIMBERG
Nicht schlecht, gleich der fünfte und sechste Treffer. Was ja wichtig ist heutzutage, bei einer Internet-Suchmaschine weit vorne aufzutauchen. Was aber auch doof sein kann. Denn bei dieser Suche steht die WAZ-Mediengruppe zwar weit vorn bei Google, nur hatte man leider nicht „WAZ“ in den Suchschlitz getippt oder „spannende Regionalzeitung“, sondern: „Einheitsbrei“.
Denn als der Essener Verlag vor Monaten ankündigte, im Zuge seiner 30-Millionen-Sparoffensive die drei Ruhrgebietstitel WAZ, NRZ und Westfälische Rundschau (WR) gemeinsam von einem zentralen „Content Desk“ in Essen aus zu bestücken, kursierte eine Befürchtung: dass der Inhalt der einst voneinander unabhängig arbeitenden Titel austauschbar werden könnte, identisch, also einheitsbreiig.
Auf der Chefetage des Verlags verwahrt man sich gegen solcherlei Kritik. Allen voran Ulrich Reitz. Einem Mantra gleich predigt der zum Obersparer ernannte WAZ-Chefredakteur noch heute, die Pluralität werde nicht leiden, ganz im Gegenteil: Von Tag zu Tag werde alles noch besser.
Zwei zentrale Monate
Nun ist das „Content Desk“ in der Essener Zentrale seit rund zwei Monaten in Betrieb. Jeden Tag werden von dort die drei Zeitungen mit überregionaler Berichterstattung bestückt – und die Befürchtungen bestens genährt.
Tenor: Die WAZ habe eben doch die ehemals hoch gelobte Autonomie ihrer Titel einer journalistischen Monotonie geopfert: „Wie erwartet, unterscheiden sich die Blätter nur noch unwesentlich“, sagt etwa Kajo Döhring, Bundesgeschäftsführer beim Deutschen Journalisten-Verband. Auch einige Politiker sehen das so, wollen es sich im Wahlkampf aber nicht mit Medien verderben und halten sich deshalb bedeckt. Dabei räumen selbst Redakteure der Blätter ein, dass alles einheitlicher geworden ist.
Nehmen wir etwa die Ausgaben vom Mittwoch: Legt man nur mal die Sportteile von WAZ, WR und NRZ nebeneinander, hat man schon den Eindruck, stark betütert zu sein, sehr stark sogar. Denn man sieht nicht doppelt, sondern dreifach: Die Seiten sind nahezu komplett identisch. Dieselben Rubriken, Artikel, Überschriften. Und überall radelt BVB-Trainer Jürgen Klopp auf einen zu, der allen Zeitungen ein Interview gegeben hat, dasselbe. Wer heute einer der Zeitungen etwas sagt, sagt es allen.
Auch auf den Politikseiten doppelt sich einiges, am Mittwoch sogar Kommentare in WR und NRZ über Hartz IV, obwohl die WAZ-Oberen prophezeit hatten, gerade hier sollten die Titel eigene Meinungen setzen. Na ja, wenigstens bei den Titelseiten bemüht man sich in Essen, unterschiedlich zu gewichten. Vielleicht, damit es am Kiosk nicht so auffällt. Alles in allem bleibt dennoch weniger Zeitungsvielfalt im Ruhrgebiet.
Kleine Anfrage zu Wichter
Und so fragt man sich doch, ob Hans-Dieter Wichter die Zeitungen in letzter Zeit mal gelesen hat. Wohl nicht. Sonst hätte der Christdemokrat und Regierungssprecher der schwarz-gelben Landesregierung in NRW wohl nicht diesen peinlichen Brief an Focus-Chef Helmut Markwort gedichtet (taz berichtete). Wichter hatte einen so wahren wie WAZ-kritischen Artikel in Markworts Illustrierter moniert.
Nun aber steht das streng geheime Dokument ganz weit vorne im Internet. Und Wichter sitzt in der Klemme: „Es gehört nicht zu den Aufgaben eines Regierungssprechers, sich wegen der Berichterstattung eines Mediums über ein anderes Medium einzumischen“, sagt der Landtagsabgeordnete Wolfram Kuschke (SPD), unter dem vorigen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück (SPD) Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei. Dass sich Wichter dazu nicht äußern will, sei „nicht klug“. Das Parlament habe ein Recht zu erfahren, was hier gespielt wird, sagt Kuschke, der eine entsprechende kleine Anfrage gestellt hat. Und droht: „Wenn sich das nicht über die kleine Anfrage regeln lässt, gibt es noch andere Möglichkeiten.“