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Archiv-Artikel

SPORTPLATZ Fettnäpfchen in der neuen Heimat

1. FUSSBALL-LIGA Warum Herthas neuer Coach Michael Skibbe ganz schnell Berliner werden muss

Ob das reicht? Michael Skibbe, der neue Trainer von Hertha BSC, findet: „Berlin ist eine tolle Stadt.“ Er habe sie oft bereist. Es ist ein erstes, noch nicht gerade überschwängliches Bekenntnis zu der Stadt, die seine neue Heimat werden soll. Immerhin hat Skibbe versprochen, sich möglichst bald eine Wohnung in Berlin zu sichern. Er weiß, woran sein Vorgänger gescheitert ist: Markus Babbel hat es nie geschafft, glaubhaft zu machen, dass er gern in Berlin ist. Nicht einmal ein Hertha-Tattoo, das sich der Bayer hat stechen lassen, hat ihm geholfen. Er wurde nie Berliner. Und wahrscheinlich wundert er sich bis heute, warum man das von ihm in der Hauptstadt verlangt hat.

War er nicht geholt worden, weil er über das Bayern-Gen verfügt, weil er ein geborener Gewinner ist? Ein solcher ist Skibbe gewiss nicht. Seine bisherigen Trainerstationen lassen eher vermuten, dass er über ein Verlierer-Gen verfügt. Auch wenn er 2008 mit Galatasaray Istanbul den türkischen Supercup gewonnen hat, der ähnlich wie hierzulande nicht viel mehr ist als ein Blumentopf, verkörpert er das Mittelmaß. Seinen größten Erfolg erzielte er abseits des Platzes. Sein Satz: „Weniger als kein Tor kann man nicht schießen“ ist längst sprichwörtlich.

Aber auf sportliche Erfolge kommt es bei Hertha in diesen Tagen eben nur in zweiter Linie an. Hört man Manager und Präsident reden hat man den Eindruck, die Saison, die gerade Halbzeitpause macht, sei schon zu Ende. Stolz ist man da auf einen Platz im gesicherten Mittelfeld und vergisst dabei offenbar, in der Tabelle nach hinten zu schauen. Mit 20 gewonnenen Punkten liegt der Aufsteiger nur fünf Punkte vor einem Abstiegsplatz. Immerhin hat Skibbe erkannt: „Der Kontakt nach unten ist noch nicht abgebrochen.“

Den Größenwahn erkannt

Doch das scheint ihn nicht sonderlich aufzuregen. Er denkt schon an die Saison nach dieser Saison. Ein Platz im oberen Drittel der Tabelle soll her. Dass eine derartige Platzierung in Berlin erwartet wird, wusste auch Markus Babbel und hat das doch im Wissen um die Vereinsfinanzen der Hertha nie so richtig ernst genommen. Völlig zurecht meinte er im August in einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten: „Der Berliner an sich neigt ja tendenziell gerne mal zu Größenwahn.“

Das hätte er nicht sagen dürfen. Denn die Berliner, die Herthaner unter ihnen sowieso, wissen zwar, dass sie größenwahnsinnig sind – nur sagen darf man es ihnen nicht. Es soll ja Menschen gegeben haben, die nach Herthas Sieg beim Deutschen Meister Borussia Dortmund am 5. Spieltag ernsthaft geglaubt haben, die Mannschaft sei reif für den Titel.

Und so begann Markus Babbels Abstieg in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mit einer der zahlreichen Heimpleiten, sondern mit einer Analyse der Berliner Charakters. In Berlin gibt es eben Sätze, die darf man nicht aussprechen. Als Frank Steffel 2001 das Rote Rathaus für die CDU erobern wollte, rutschte ihm auf einer Bayernreise – die Maß Bier in der Hand – raus, dass München die schönste Stadt Deutschlands sei. Er löste einen Skandal aus, der für den heutigen Bundestagsabgeordneten viel folgenreicher war, als die Affäre Bimbo, in deren Verlauf Steffel zugegeben hat, als Schüler Schwarze als Bimbos und Behinderte als Mongos bezeichnet zu haben.

Michael Skibbe, dessen Arbeit morgen mit dem ersten Training im neuen Jahr so richtig beginnt, muss also auf der Hut sein. Er sollte beim Standesamt überprüfen lassen, ob es möglich ist, den Geburtsort nachträglich ändern zu lassen. Bis jetzt ist Skibbe noch in Gelsenkirchen geboren. Spätestens bis zum 7. Januar, wenn die Hertha zum Trainingslager ins türkische Belek fliegt, sollte der 46-Jährige das geändert haben. ANDREAS RÜTTENAUER