: Schrank am Meer
Stefan Wischnewskis Installationen im Westwerk
Ein Luftrüssel führt vom Gehsteig zu einem zeltartigen Plastikobjekt im Raum. Ein Panoramafenster zeigt Tulpen mit starken Farben, die – je nach Bedienung der integrierten Lichtmischung – variieren. Stefan Wischnewski untersucht in seiner Schau „Kabinett“ im Westwerk das Erscheinungsbild der Tulpe.
Die kostbare Zwiebel, vor ca. 450 Jahren aus dem Orient importiert, erblühte ursprünglich in nur drei Farben. Doch schon die holländischen Stilllebenmaler des 16. Jahrhunderts veränderten die Pflanze mit ihrem Pinsel. Heute gibt es bis zu 120 Tulpenfarben. Die Verschönerung der Natur thematisiert die Installation „Tulpo-Mania“ mit malerischen Mitteln; zugleich spielt der Künstler hier mit der Veränderung der Umwelt durch den Menschen.
Aber auch die Erfindungen des Menschen erfordern Anpassung. In „Das Glück auf der 2. Haut“ etwa erweitert Wischnewski den Ärmel seiner alten Jeansjacke, die, während er sie trägt, maschinell mit einem Liebesschwur bestickt wird; die Beziehung zur Maschine ist der Liebesbeziehung gleichgestellt. Industrielle Lebensbedingungen fordern ein Umdenken.
Ein anderes Beispiel: das Video „Strandhaus“, die Ironisierung des Traums vom Eigenheim am Meer. Ein kleiner Schiebeschrank mit Windfang ist da zu sehen – gerade groß genug, um darin gebeugt Zeitung zu lesen. Die mobile Strandhaus-Einheit, auch für die Masse erschwinglich. Nur ist im Prototyp der Bewegungsspielraum noch ein wenig eingeschränkt. Gleich daneben hängen Architekturmodelle, in denen Handschuhe zu Stadiondächern aufgespannt sind. Gebrauchsformen des Menschen werden dekonstruiert und funktionsfremden Einsatzmöglichkeiten angepasst. Interfaces.
Ganz extrem wird es, wenn sich der Künstler in der Videoperformance „Undercover“ in einen Plastiksack hineinnäht und von innen hermetisch verschließt. Konsequenz, die den Bewegungsraum behindert. Da grübelt man, ob Formung und Anpassung immer positiv wirken. Torsten Bruch
Do–Fr 15–20 Uhr, Sa+So 13–18 Uhr, Westwerk, Admiralitätstraße 74; bis 10.4.