KOMMENTAR VON GEREON ASMUTH
: Berliner haben die Ruhe weg

Nur das Gemecker auf übervollen Radwegen wird unerträglich

Eigentlich müsste ein Sturm losbrechen. Schließlich gilt der Berliner als der größte Meckerkopf unter der Sonne. Er motzt, wo es nur geht, und flucht auf die da oben. Nun trifft er auf das Superchaos bei der S-Bahn – und dann – passiert nichts. Aufstand? Revolution? Von wegen! Der Berliner löst seine Bahnsteigkarte und wartet geduldig auf das, was da nicht kommt.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens: Der Berliner hat Humor. Auch wenn er das gern als Meckern verkleidet. Zweitens: Das Berliner Nahverkehrssystem ist tatsächlich so gut ausgebaut, dass es ein paar Ausfälle verkraften kann. Drittens: Das Nahverkehrsnetz ist zum Glück nicht in einer Hand. So kann selbst das inkompetenteste Management nicht alles auf einmal lahmlegen. Viertens: Eigentlich ist immer irgendwo irgendwas kaputt. Der Berliner kennt das. Fünftens: Die S-Bahn hat gerade noch rechtzeitig das Zauberwort „Entschuldigung“ gelernt. Es ist überall zu hören und zu sehen. Und da es zudem mit einigermaßen guten Infos über den Katastrophenfahrplan verbunden ist, ist der Berliner richtig glücklich. Sechstens: Der Berliner hat Humor. Das kann man gar nicht oft genug betonen. Und siebtens: Der Berliner ist flexibel. Bei gutem Wetter steigt er kurzerhand aufs Rad um. Das aber führt in der Innenstadt tatsächlich zu Problemen. Es ist höchste Zeit, zweispurige Radwege auf Hauptverkehrsstraßen zu fordern. Ganz im Ernst. Denn das Gemecker auf den übervollen Radwegen wird langsam unerträglich. Foto: Amélie Losier