ZWISCHEN DEN RILLEN
: Gestohlene Geschichten

We Were Promised Jetpacks „In the Pit of the Stomach“ (Fatcat/Rough Trade)

Als wollten die Gitarrenströme einem verspäteten Herbststurm nachjagen

Mit Versprechen ist das so eine Sache, gerade in der Indieszene. An hochgepitchten Erwartungshaltungen zerschellen sogar Helden und ihre Alben. Ob We Were Promised Jetpacks bei der Bandnamensfindung an die Mechanismen des Hypes dachten, ist nicht überliefert. Sicher ist nur, dass das Quartett aus Glasgow vor zwei Jahren den eigenen Postpunk-Wimpel wuchtig ins Portfolio des renommierten britischen Labels Fatcat Records rammte.

Ihr in knapp einer Woche eingespieltes und viel beachtetes Debütalbum „These Four Walls“ hat sich seitdem knapp 40.000-mal verkauft, obwohl seine Songs bereits Monate vor dem Veröffentlichungstermin durchs Internet geisterten. Dieser Achtungserfolg dürfte vor allem der gitarrengetriebenen Single „Quiet Little Voices“ zu verdanken sein.

Seitdem sind die Schotten ausgiebig durch Europa und die USA getourt. Vor Kurzem haben sie mit „In The Pit Of The Stomach“ nun Album Nummer zwei nachgeschoben. Auch darauf mangelt es nicht an gitarrenlastigen Klangwänden, die sich ins Hymnische aufbauen, kraftvoll bersten und fragmentarisch nachhallen.

Aus ihrem Sound spricht immer auch spröder, nordenglischer Melodielärm, wie ihn etwa Teenage Fanclub früher gemacht haben. Im Vergleich zum Debüt haben bei We Were Promised Jetpacks aber Facettenreichtum und Experimentierfreunde deutlich zugenommen. Man merkt, dass die Band sich diesmal drei Wochen für die Aufnahmen Zeit gelassen hat.

Eingespielt wurden die Songs im Studio von Sigor Rós – die Isländer sind Labelkollegen der Schotten. „Circles And Squares“, der Auftaktsong, zeichnet atmosphärisch dicht die Spuren des Erstlings von 2009 nach. Auch „Medicine“ nimmt erst den gewohnten Sound auf, driftet dann aber weg in die kühle Distanz klassischer New Wave.

Sänger Adam Thompson impft dem Song gleich zu Beginn eine zynische Identitätsnote ein: „I’ve stolen all my stories, just copied and pasted. Is this about me now?“ Sein Erzählen ist oft ein selbstreflexives, eines, das nicht mit bitteren Befindlichkeiten geizt („Life in a coma could be quite fun“). Und doch findet sein markanter, akzentuierter Tonfall – der Mann ist schließlich Schotte – immer wieder zu einfacher und tragfähiger Catchiness: „We act alone. We act on impulse“. Der gleichnamige Song klingt ausgeruht, verströmt mehr Pop als der Rest und geht als melodisches Herzstück des Albums durch.

Die wahren musikalischen Innovationen liegen fast ein wenig versteckt im letzten Drittel von „In The Pit Of The Stomach“. Kleine, herrlich launische Epen verraten dort die Weiterentwicklung der Band zu einer reduziert stampfenden Maschine. „Sore Thumb“ erinnert stark an den Sound der Glasgower Postrockband Mogwai, gemessen an seiner instrumentalen Dramaturgie, ein kleines elegisches Kunststück.

Der Song „Boy In The Backseat“ liefert dann die eigentliche kreative Summe des Albums und den notwendigen Pathos dazu: „If there’s breath in my lungs, then there’s wars to be won.“ All das wird umrahmt von den makellosen Rhythmusgewittern des Drummers Darren Lackie.

Dass mit „Human Error“ noch ein klassisches Indie-Exempel statuiert wird, stört bedingt, bevor sich das Album mit „Pear Tree“ ein letztes Mal aufbäumt, bricht und fällt. Man kann sich von „In The Pit Of The Stomach“ durchaus eine Portion rotzigen Indie-Rock versprechen, dem ein grimmiger, rasender Schmerz im Bauch zugrunde liegt. Das passt schon.

Man kann aber vor allem die klang- und energiegeladene Eleganz einer (Spiel-)Wut entdecken, die den Songs zugrunde liegt. So lange, bis die Gitarrenströme nach gut einer Stunde verebben. Als müssten sie urplötzlich und ruckartig verschwinden. Als wollten sie einem verspäteten grollenden Herbststurm nachjagen, der irgendwo in der Ferne lauert. JAN SCHEPER

■ Live am 24. 1. in München, 59 to 1; 26. 1. Dresden, Beatpol; 27. 1. Frankfurt , Das Bett; 28. 1. Münster, Sputnikhalle; 29. 1. Rostock, Zwischenbau; 31. 1. Bremen, Lagerhaus