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Archiv-Artikel

Lauter nützliche Erfahrungen

STARTHILFE Wer eine Bewerbung schreiben muss, kann sich professionelle Hilfe holen. Neben der Agentur für Arbeit gibt es mittlerweile auch private Coaches

„Sich bewerben heißt, sich in den Job zu verlieben und zu verführen“

Andreas Herrmann, Coach

VON LINA SULZBACHER

Verlagskauffrau Anne B. hat ewig an ihrem Lebenslauf herumgebastelt. Nach über zwanzig Jahren Elternzeit wollte sie wieder arbeiten gehen, war aber schnell frustriert. „Ich hatte das Gefühl, dass mich nach der langen Pause sowieso keiner einstellen wird“, sagt die Mitvierzigerin.

Ihr Schreibstil sei „nicht der Beste“, sie habe zum Beispiel nicht gewusst, wie sie die Pflege von Familienangehörigen in einer Bewerbung erwähnen könnte. Irgendwann beschloss sie, „das Ganze lieber einem Profi zu überlassen“ und wandte sich an Diana Gehling-Schmidt.

Die hat als Sozialpädagogin schon viele junge Menschen bei der Berufssuche beraten und hat eine genaue Vorstellung davon, wie eine gute Bewerbung aussehen muss. Die formellen Kriterien müssen stimmen, der Lebenslauf richtig aufgebaut sein. Und vor allem eines sollte die Bewerbung erfüllen: Sie muss auf die ausgeschriebene Stelle zugeschnitten sein. „Es bringt nichts, wenn Sie alle ihre Fähigkeiten auflisten, ohne zu überlegen, welche davon für den freien Job überhaupt interessant sind“, sagt die 36-Jährige. Im Frühjahr 2011 hat Gehling-Schmidt ihre Firma gegründet, die „Bewerbungsschmiede“, und arbeitet dort nun „als Vermittlungsrohr für Leute“, wie sie selbst sagt.

Die Pädagogin korrigiert bereits verfasste Bewerbungen, erstellt komplette Mappen neu oder bereitet Kunden auf ihr Vorstellungsgespräch vor. Die Ratsuchenden kämen aus allen Schichten, oft aus akademischen Berufen. Auch Mütter und Väter, die nach der Kinderzeit wieder in den Beruf möchten, wie Anne B.

Für sie hat Gehling-Schmidt nach einem einstündigen Gespräch ein neues Anschreiben samt Lebenslauf verfasst. In diesem gibt es nun die Rubrik „Familienmanagement“, in der viele Tätigkeiten der letzten Jahre aufgelistet sind. Die Pflege des kranken Vaters, die Betreuung des an Diabetes erkrankten Sohnes, lauter für den Beruf nützliche Erfahrungen.

Gehlings-Schmidts Arbeit als Bewerbungsberaterin stößt aber auch auf Kritik. Bekannte hätten ihr vorgeworfen, sie trage dazu bei, dass heute alles käuflich sei, berichtet sie und widerspricht: Bei Vorgesprächen mit den Kunden gäben diese die nötigen Informationen, sie helfe dann nur noch bei der Formulierung. Das Wissen, gute Unterlagen eingereicht zu haben, mache dann auch im Bewerbungsgespräch sicherer, bei dem der Jobsuchende wieder allein ist.

Auch Andreas Herrmann bietet für Geld Bewerbungshilfe an. Er habe in seiner früheren Tätigkeit als Personalverantwortlicher erlebt, dass Unterlagen wegen reiner Formfehler aussortiert wurden: „Das sind vielleicht tolle Leute, aber die kommen wegen so etwas nicht zum Schuss“, sagt der Inhaber von „Idealbewerbung“. Anschreiben seien oft lieblos und voller Rechtschreibfehler, Fotos im Lebenslauf nicht richtig formatiert. „Absolut erschreckend ist auch, wie oberflächlich und allgemein viele Bewerbungen sind“, sagt er.

Um das zu ändern, hat er vor zehn Jahren seine Firma gegründet. 60 Prozent seiner Beratungen gebe er Top-Managern aus der Wirtschaft, erzählt er. Auch Studienbewerber gehören zu seinem Klientel, für die er Motivationsschreiben für den ersehnten Hochschulplatz verfasst. „Sich bewerben heißt, sich in den Job zu verlieben und zu verführen“, findet Andreas Herrmann. Die professionelle Hilfe hat aber auch ihren Preis. Komplette Bewerbungs-Sets kosten zwischen 100 und 250 Euro.

Nicht ganz so individuell, aber deutlich günstiger ist die Bundesagentur für Arbeit. Die richtet ihr Angebot nicht mehr nur an Arbeitslose. „Egal ob Küchenhelfer oder Akademiker, der Bedarf für Beratung bei der Bewerbung ist da“, sagt der Sprecher der Hamburger Arbeitsagentur, Knut Böhrnsen. Die bietet Beratungstermine, Workshops und Vorträge, zum Beispiel Bewerbungstrainings für Hochschulabsolventen an. Viel Beratung fände schon direkt in Schulen statt, berichtet Böhrnsen. Berater des Arbeitsamtes machen mit Schulklassen Seminare, es gebe individuelle Termine für Schüler und die sogenannten „Bewerbungs-Checks“, bei denen die Vollständigkeit der Unterlagen geprüft wird.

Anne B. hat nach den Terminen mit Diana Gehling-Schmidt erst mal eine Weiterbildung besucht. Die Hilfe bei der Bewerbung habe ihr Selbstvertrauen gegeben, sagt sie. Sie habe sich aufgewertet gefühlt. Demnächst will sie es wagen, sich als Schulsekretärin zu bewerben.