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Archiv-Artikel

Europa wird immer kleiner

Fünf von sechs Football-Teams in der der NFL Europe kommen aus Deutschland. Im Amerika-affinen Old Germany erwarten die Teameigner der National Football League in den USA die besten Geschäfte – verdient haben sie bisher allerdings noch nichts

VON MARKUS VÖLKER

Europa ist klein, sehr klein sogar. Auf der Karte der NFL Europe besteht der Kontinent nur aus zwei Ländern: Deutschland und den Niederlanden. Das war’s. Die Football-Liga schrumpft. Früher gab es noch Teams in England (London Monarchs), in Spanien (Barcelona Dragons) und Schottland (Scottish Claymores). Aber die Drachen sind ausgestorben, die Monarchen abgetreten; das Schwert der Schotten ist verrostet. Die Größe des Kontinents wird von New York aus gesteuert, dem Sitz des Mutterunternehmens National Football League (NFL). In regelmäßigen Abständen schaut man über den Großen Teich, macht Revision und anschließend Teams mit der Tatsache vertraut, dass der Laden dichtgemacht werden muss.

Die NFL geht dabei vollkommen unsentimental vor. Sie schiebt ihre Dependancen dorthin, wo die „Marktrelevanz“ besser ist, wie Tilman Engel sagt, Geschäftsführer von Frankfurt Galaxy, eine von fünf deutschen Mannschaften im halben Dutzend der NFL Europe, besser gesagt: der NFL Germany. Darauf angesprochen, dass die Liga zu einem deutschen Unternehmen geworden ist und ob dies nun gut oder schlecht sei, erwidert Engel lachend: „Was für eine Frage?!“ Er hat sie in den vergangenen Tagen oft gehört und sich entschieden, sie mit einem entschlossenen Ja zu beantworten: „Das ist eine überfällige Entwicklung“, sagt Engel, „weil das Interesse in Deutschland gegeben ist – das war in den anderen Märkten nicht so.“ Nun gibt es neben der Galaxy, Düsseldorf Rhein Fire, Berlin Thunder und den Cologne Centurions auch die Hamburg Sea Devils, deren Spiel den Fans ebenso zart auf der Zunge zergehen soll wie der schmackhafte Seeteufel. Ergänzend gibt es noch die Amsterdam Admirals, die sich gegen die Teutonisierung der Liga mit der Kampagne wehren: „Wir sind nicht das 17. Bundesland!“ Noch nicht. Doch es gibt Pläne, den Ballungsraum Deutschland zu verdichten.

Als die Lizenz der Claymores frei wurde, meldete sich nicht nur Hamburg, sondern auch Kaiserslautern und Stuttgart. Es sollen nicht die einzigen Interessenten gewesen sein. „Go Germany“ ist das Motto der amerikanischen Sportexporteure. Die Strategie ist einfach: Man will Geld sparen und die Liga überschaubarer gestalten. Derbys sollen kreiert, die Amerika-Affinität der Deutschen genutzt werden. Oft ist die Rede von Synergie-Effekten. Die NFL Europe hat Effekte aller Art nötig, denn die Mutter ist nicht so recht zufrieden mit ihrer Tochter. Die Zuschauerzahlen blieben in der vergangenen Saison unter den Erwartungen. Wieder einmal. Der Schnitt lag bei 15.932 Besuchern. Und auch zum Auftakt am vergangenen Wochenende drängten sich die Fans nicht an den Kassen.

Ins Berliner Olympiastadion pilgerten zwar 16.199 Zuschauer, doch zu den Cologne Centurions wollten nur 9.468 – viel zu wenig. Aber selbst bei randvollen Stadien würden die Mannschaften nur rote Zahlen schreiben. Die Liga hat noch nie Gewinne gemacht. Ein Defizit von 15 bis 20 Millionen Euro werden die sechs Teams in dieser Spielzeit anhäufen – ein Minus, über das im Mai diskutiert werden wird. Dann entscheiden die Eigner der 32 NFL-Teams über die Zukunft des europäischen Ablegers. 24 Besitzer, eine Mehrheit von 75 Prozent, müssen dem neuen Businessplan zustimmen. Die Probleme der NFL Europe sind freilich nicht neu: Die Fluktuation ist nach wie vor erschreckend hoch; die Fans können wenig Bindung zu den Spielern aufbauen, weil diese nach ein paar Matches wieder in die Staaten jetten. Und nicht allen Fans sagt die Unterhaltungsshow in den Stadien zu.

Tilman Engel schiebt die Bedenken beiseite. Er rechnet nicht mit einer Ablehnung durch die Eigner. „Es wird kein Horrorszenario geben“, sagt er. Im Gegenteil: Engel entwirft die Kulisse einer verheißungsvollen Zukunft. Nach der Fußball-WM würden neue Expansionsschritte in Deutschland unternommen, möglicherweise gebe es eine Aufstockung der Liga. Nach einer Phase der Konsolidierung wolle die NFL Europe ihrem Namen dann wieder gerecht werden und die Fühler in andere Länder, sprich Märkte, ausstrecken. Außerdem sei die Liga nicht zu teuer. Die NFL Europe rentiere sich nachträglich fürs Mutterhaus, da sich in ihr Talente erproben könnten und der wahre Wert eines Spielers ersichtlich werde. Als Beispiel nennt er den aktuellen Quarterback der Frankfurt Galaxy, Akili Smith. Die Cincinnati Bengals hatten 1999 zwölf Millionen Dollar für ihn ausgegeben. Smith erwies sich aber als teurer Flop. Nun hat er eine neue Bewährungschance erhalten und hofft von Europa aus, dem als „Last Resort“ verschrieenen Ausflugsziel mittelmäßiger Talente, in die NFL zurückzukehren. Mit den besten Empfehlungen, versteht sich. So wie es die Quarterbacks Kurt Warner und Jake Delhomme getan haben.

Engel weiß, wie man Football in Deutschland verkauft. Frankfurt Galaxy konkurriert im Zuschauerschnitt (26.058) mit den Fußballern der Eintracht (26.319). Im Waldstadion wird viel Budenzauber geboten – in der so genannten Pregame Show. Engel hat die Hamburger bei der Neugründung beraten, nicht nur in zirzensischen Dingen. „Von ihnen hängt eine Menge ab“, sagt er. Nach drei Jahren werden die Seeteufel auf Güte und Ertrag geprüft. Doch bis es so weit ist, erwartet Tilman Engel und seine Frankfurt Galaxy am Samstag ein seltenes Ereignis. Europa kommt zu Besuch. Die Amsterdam Admirals reisen nach NFL-Germany.