Leichte Wahl für Leipziger

Wolfgang Tiefensee (SPD) wird am Sonntag wieder die Oberbürgermeister-Wahl gewinnen – trotz der Probleme in Leipzig. Er befürchtet nur zu viele Stimmen für die NPD

LEIPZIG taz ■ „Wuuuulfgäng Tiefensee is married“ klingen fünfzehn Kinderstimmen. „He has a wife and two daughters.“ Während die Straßenbahn aus Ostzeiten durch die Altbauten des Leipziger Bezirks Plagwitz rumpelt, übt eine Schulklasse Englisch. Durch die verstaubten Scheiben zeigt die Lehrerin auf Plakate an Straßenbäumen. Ein netter Mann mit Halbglatze lächelt herab. Wuuuulfgäng – den Mann kennt in Leipzig wirklich jedes Kind. Er ist der alte und wohl auch der neue Mann an der Spitze der Boom-Stadt im Osten.

400.000 Leipziger könnten am Sonntag einen neuen Oberbürgermeister wählen und werden sich wohl für den alten entscheiden. Die einzige weibliche Kandidatin, Barbara Höll von der PDS, liegt auf Platz zwei der Umfragen – allerdings mit nur schmächtigen 11 Prozent, der CDU-Mann Robert Clemen kann mit 9 Prozent rechnen. 76 Prozent der Stimmen sagen die letzten Umfragen für den derzeitigen Amtsinhaber voraus, der auch von den Grünen unterstützt wird: Wolfgang Tiefensee, der nett lächelnde Mann mit der Halbglatze.

Der SPD-Mann, der lieber Bürgermeister in Leipzig blieb, obwohl der Kanzler nach der gewonnenen Bundestagswahl im Herbst 2002 sehr laut nach einem Talent aus dem Osten rief. Der lieber in Leipzig blieb und nicht Spitzenkandidat der sächsischen SPD im Landtagswahlkampf 2004 wurde, obwohl die Partei einen Messias wollte, der sie von dem langsamen Dahinsiechen erlösen möge.

„Es gibt hier noch viel zu erledigen“, sagte Tiefensee dann immer wieder. Er wollte sich weder als Ober-Ossi der Bundes-SPD noch als Vorzeige-Promi einer blassen Landespartei verheizen lassen.

Die Leipziger halten dies für Treue zu ihrer Stadt und bleiben deshalb auch Tiefensee treu. Dass die Olympiabewerbung gescheitert ist, hat daran nichts geändert. Auch nicht das unrühmliche Ende des städtischen Beschäftigungsbetriebes „bfb“ – beide Fälle waren garniert mit Betrugsvorwürfen gegen Untergebene Tiefensees. Auch gegen den Oberbürgermeister wurde ermittelt, nachgewiesen wurde ihm jedoch nichts. Und obwohl es Ende Februar über 50.000 Arbeitslose in der Stadt gab, wird Tiefensee nicht einmal übel genommen, dass er Mitglied der Hartz-Kommission war.

Heute sagt er dazu, damals sei alles ganz anders vorgesehen gewesen, Alg II habe es zum Beispiel eigentlich 32 Monate geben sollen. Jammern helfe aber heute nichts mehr, man müsse nach vorn sehen. Mit Tiefensee wird allein der Aufstieg verbunden: die Ansiedlung von BMW und Porsche oder das neue Fußballstadion. Ihm sei seine Beliebtheit selbst schon unangenehm, sagt der zweifache Familienvater und Cellospieler.

Tiefensee fürchtet jedoch eine niedrige Wahlbeteiligung und damit zu viele Stimmen für die NPD. Die tritt nämlich ebenfalls in Leipzig an – mit Peter Marx, Geschäftsführer und Strippenzieher der NPD im sächsischen Landtag.

Der Hallenser Parteienforscher Everhard Holtmann warnt vor einem „Achtungserfolg“ für die NPD. 5,6 Prozent hatte die NPD bei den Landtagswahlen im Herbst 2004 in Sachsen bekommen, und die Rechtsextremen wollen auch dieses Mal „5 Prozent plus x“-Stimmen erreichen.

Die anderen im Stadtrat vertretenen Parteien von CDU bis PDS haben das Ziel, die NPD unter 5 Prozent zu halten. Obwohl die Rechtsextremen in der Stadt weder durch Plakate noch durch Wahlstände auffallen, könnte ihnen helfen, dass es mit dem CDU-Mann Robert Clemen keinen populären konservativen Kandidaten gibt und daher rechtsgesinnte Wähler der NPD ihre Stimme geben.

Für Leipzig und die NPD ist diese Wahl ein Test. Für die NPD entscheidet sich hier, ob sie es schafft, nicht nur in den wirtschaftlich abgehängten Randzonen Ostdeutschlands Stimmen zu sammeln. Und das bürgerlich geprägte und wirtschaftlich aufstrebende Leipzig will beweisen, dass es nicht anfällig ist für die Parolen der Neonazis.

DANIEL SCHULZ