: Klimaeinbruch
Zweimal Cherundolo, ein Gegentor und Frotzeleien in der Führungsetage: Hannover verliert in Bochum
Die Maßstäbe bei Hannover 96 sind etwas verrutscht. Dies lässt sich vor allem an den Äußerungen von 96-Trainer Ewald Lienen ablesen. Lienen wollte die Ursache für die 0:1-Niederlage beim VfL Bochum doch etwas zu drastisch auf den Punkt bringen: Die Hannoveraner seien „durch ein ganz, ganz dummes Foul und anschließenden Freistoß“ in Rückstand geraten. „Das war der Super-GAU“, so Lienen. Schlimmer noch: Steven Cherundulo verursachte nicht nur den Freistoß, er setzte ihn auch noch per Kopf ins eigene Netz. „Zweimal derselbe Spieler...“, grantelte Lienen vor sich hin.
Den ganzen Frust hätten sich die Hannoveraner mal locker ersparen können, wenn sie in der ersten Hälfte ihre „drei Tausendprozentigen“ (wieder Lienen), genutzt hätten. Nun, ganz so toll waren die Chancen nicht. Dreimal scheiterten die Angeifer eher am zu spitzen Winkel, als an der eigenen Unfähigkeit. Dennoch war die optische Überlegenheit unübersehbar. „Wir hatten Bochum in der ersten Halbzeit schon da, wo wir sie haben wollten“, sagte Torwart Robert Enke. Doch „wir haben Bochum den Sieg geschenkt“, ergänzte 96-Kapitän Altin Lala. Alles in allem also: Blöd gelaufen. Zumal die zweite Halbzeit nicht belegen konnte, dass die Hannoveraner wirklich an das mittelhoch gesteckte Ziel UI-Cup glauben. Kein Torschuss in den zweiten 45 Minuten, und kein Bochumer in Sicht, der den Gästen die Arbeit abnehmen wollte.
Wie sich das Ergebnis auf die Stimmung bei Hannover 96 auswirken wird, lässt sich nur erahnen. Nach der mehr als starken Hinrunde und dem Einbruch nach der Winterpause scheint zumindest das Klima zwischen den Verantwortlichen nicht mehr das Allerbeste zu sein. Der Wechsel von Mittelfeldregisseur Nebojsa Krupnikovic zu Arminia Bielefeld ließ Ewald Lienen und Sportdirektor Ilja Kaenzig aneinander geraten. „Bei 96 arbeiten vielleicht nicht alle zusammen“, sagte Krupnikovic. Lienen wollte ihn behalten, Kaenzig nicht. Die Zukunft von Jiri Kaufmann oder Thomas Christiansen ist ebenfalls unklar. Es scheint, als würde die Mannschaft wegbrechen.
Auch Präsident Martin Kind hatte sich zwischenzeitlich mal wieder gemeldet und Trainer und Sportdirektor zu mehr Entschlossenheit angemahnt. „Die Abstimmung sollte dringend verfeinert werden“, sagte Kind vor einigen Wochen, um sich indirekt gegen Lienen zu stellen. „Wir sind Herrn Lienen sehr entgegengekommen.“ Will heißen, das vom Präsidenten vorgegebene Ziel UI-Cup sollte gefälligst erreicht werden, ansonsten könnten die üblichen Marktmechanismen greifen. Bei Lienen ist diese Drohung wohl angekommen. Die heftigen Reaktionen nach dem Bochum-Spiel weisen darauf hin. Die Mannschaft ist gefordert. HOLGER PAULER