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Archiv-Artikel

Julia und ihr Liebhaber

In „Being Julia“ erzählt István Szabó die Geschichte einer Theaterschauspielerin im 30er-Jahre-London und lässt seine Hauptdarstellerin Annette Bening leuchten

István Szabó ist einer jener Filmemacher, die erst im Theater so richtig zu sich kommen. Klaus Maria Brandauer, der österreichische Mime, ist der ideale Szabó-Held: enorm von sich eingenommen, viel größer als die Historie, blind wie ein Zyklop. Da kann und muss Annette Bening nicht mithalten in dem neuesten Szabó-Film „Being Julia“.

Aber auch hier geht es um Sonderstatus, denn das Julia-Sein ist eine bedeutende Sache, weit über die Grund- und Menschenrechte hinaus. Szabós Julia ist ein Bühnenstar im London 1938, in einer Zeit also, als Premieren noch genauso wichtig waren wie der Premierminister, und Premierenfeiern wichtiger als diplomatische Empfänge. Doch diese Julia hat ihren Zenit um jenes Quäntchen überschritten, das nur der erste Blick in den Spiegel am Morgen preisgibt. Mit ihrem Ehemann und Produzenten Michael Gosslyn (Jeremy Irons) lebt sie in einer geschwisterlichen Ehe. Da kommt der junge Amerikaner Tom Fennel (Shaun Evans) gerade recht für eine Auffrischung der Leidenschaft. Dann taucht auch noch die junge Avice (Lucy Punch) auf, die unbedingt mit Julia spielen will, während die Männer alle mit ihr spielen wollen.

Diesem typischen Boulevardstoff drückt István Szabó seinen Stempel der Gediegenheit auf: Er konzentriert sich ganz auf seine Hauptfigur, die in Massagen und Schmeicheleien, in langen Spaziergängen mit dem platonischen Freund und kurzen sexuellen Eskapaden mit dem unzuverlässigen Amerikaner das nicht findet, was sie nur in sich selbst finden kann – Gleichmut, Gelassenheit, Souveränität. Julia kann das nur auf der Bühne erlangen, weil sie dort zuerst über sich hinauswachsen kann.

„Being Julia“ ist ein nostalgischer Film, eine Flucht aus der Massenkultur der Gegenwart in eine noch weit gehend intakte britische Klassengesellschaft. Ronald Harwood hat für sein Drehbuch einen Roman von W. Somerset Maugham adaptiert. Um diesen Stoff hat sich dann eine abenteuerliche Finanzierungslage gebildet, mit Investoren und Subventionen aus vielen Ländern, die alle auf das Siegel István Szabó vertraut haben.

Der ungarische Regisseur ist der diskrete Ermöglicher: Sein Kino fällt nicht auf – es bleibt in den Kulissen, während der Star leuchtet. Annette Bening macht uns immerhin klar, dass das Julia-Sein nicht nach Champagner verlangt, sondern nach einem Humpen Bier. BERT REBHANDL

„Being Julia“. Regie: István Szabó. Mit Annette Bening, James Ivory u. a. Kanada, USA, Ungarn, Großbritannien 2004, 105 Min.