: „Keine griffige Eigenschaft“
Kleine Psychoanalyse der Sentimentalität
ist seit rund 15 Jahren als Psychoanalytikerin tätig. Sie führt eine Praxis in Oldenburg. F.: Archiv
taz: Frau Hoffmann, Sie sprechen heute Abend über Sentimentalität. Was hat dieses Thema im Overbeck-Museum verloren?
Christa Hoffmann: Der Künstler Fritz Overbeck (Foto) sagte: „Ich bin nicht sentimental!“, als er das Künstlerdorf verließ und gefragt wurde, ob er die Zeit in Worpswede nicht vermisse. „Ich bin nicht sentimental“ heißt auch die aktuelle Ausstellung im Overbeck-Museum. Ich greife das Thema Sentimentalität aus Sicht der Psychoanalyse auf.
Was verstehen Psychoanalytiker unter Sentimentalität?
Das ist ein sehr schillernder Begriff, der nicht leicht zu fassen ist. Sentimentalität kann einen Zustand, eine Eigenschaft, oder Haltung bezeichnen. Im Sprachgebrauch wird sie oft negativ, etwa als Gefühlsduselei interpretiert. Dabei gibt es auch eine liebenswerte Art der Sentimentalität. Menschen sind sentimental – manche mehr, manche weniger.
Sentimentalität ist also nichts Negatives?
Ob sie gut oder schlecht ist, kann und will ich so nicht sagen. Diese Eindeutigkeit widerspricht mir als Analytikerin. Wenn Sentimentalität als Gefühlsduselei vorwiegend statt echter Gefühle benutzt wird, ist das nicht zu begrüßen. In meinem Vortrag versuche ich aber, die Vielschichtigkeit des Begriffes zu thematisieren. Je länger ich mich damit beschäftigte, desto weniger wurde Sentimentalität zu einer griffigen Eigenschaft. Int.: Gesa Koch-Weser
Vortrag: 19 Uhr, Overbeck-Museum, Altes Packhaus Vegesack