: Professor wird wieder Punk
ESTABLISHMENT Der Maler Daniel Richter reagiert auf den Finkenwerder Kunstpreis mit einer Ausstellung, in der er den Sponsor Airbus veralbert
Er ist die Nummer 16. So steht es jedenfalls in der Jahressiegerliste 2008 des weltweiten Künstlerrankings „Capital Kunstkompass“. Auf dem Markt sind des Malers Daniel Richters farbfreudige Nachtstücke leicht eine sechsstellige Summe wert. Doch den widerborstigen Hamburger Künstler ganz für sich einzunehmen, bleibt auch bei Einsatz von Geld eher schwer.
Zwar ist er in Wien auch Kunstprofessor und kann hervorragend noch so periphere Arbeiten erklären. Aber wenn er den mit 20.000 Euro dotierten Finkenwerder Kunstpreis bekommt, dessen Hauptsponsor die Flugzeugfirma Airbus ist, dann erinnert er sich doch lieber seiner punkigen Vergangenheit.
Die Honoratioren von südlich der Elbe waren wenig erfreut, als sie sehen mussten, wie gegen den Strich gebürstet die Ausstellung im Kunsthaus Hamburg ausfiel, die zum gut dotierten Kunstpreis gehört. Da neue Bilder von Daniel Richter aufgrund der aktuellen Ausstellung bei Contempory Fine Arts in Berlin ohnehin nicht zur Verfügung standen und eine große Werkschau gerade erst 2007 in der Kunsthalle stattgefunden hatte, entschloss der sich gerne alternativ gebende Künstler zu einer Kollektivinszenierung mit zwei weiteren Enfants Terribles: dem Selbstdarstellerstar Jonathan Meese und dem jungen Szene-Zeichner Stefan Marx.
So wird nun im Kunsthaus am Klosterwall in flapsiger und furioser Art Hamburger Off-Kunstgeschichte reflektiert und präsentiert, allgemein die Bedingung der Kunstproduktion zwischen neoromantischer Joseph-Beuys-Filzerei und Popstar-Gehabe à la Michael Jackson thematisiert und speziell die Flugzeugbaufirma veralbert.
Statt Weltdeutung in irre leuchtenden Gruppenbildern finden sich unter einem kolossalen Vogelballon und steten Verweisen auf Flugzeuge Bausteine zum Bild einer regionalen Kunstgeschichte. Ein Reigen von Plakaten und Schallplattencovern, Zitaten und Zeichnungen sowie Vitrinen mit Hinweisen auf Kindheit und wilde Jugendzeit kulminiert in der auf bewusst schrottigem Gestell präsentierten Preisverleihungsurkunde.
Übervater Joseph Beuys, der ja dereinst nicht auf hiesigen Spülfeldern tätig werden durfte, wird mit einer Filzjurte herbeizitiert. Doch das in dieser aufbewahrte mythische Geheimnis ist, ganz zeitgemäß, bloß ein sich edel gerierendes Paar einer luxuriösen und streng begrenzten Turnschuh-Edition des Herstellers mit dem göttlichen Namen Nike. Gleich daneben findet sich eine Wand, an der um die zentrale Kapitänsmütze auf fiesen Metallköppen alle Arten von seemännischen Kopfbedeckungen ausgestellt werden, vom „Elbsegler“ bis zum „Fleetenkieker“ – Assoziationen an norddeutsche Mützenträger wie Helmut Schmidt oder Ernst Thälmann sind durchaus erwünscht.
Ein Video von Peter Sempel zeigt, mit welch unbeschwert kindlichem Spaß Meese und Richter in dessen Berliner Atelier mit den Farben herumgemacht haben. Doch seine eigenen kunstmarktkompatiblen Farbzeichnungen werden in edlem Holzrahmen mit Passepartout ein bisschen schöner präsentiert. In diesen acht Zeitungsfotoparaphrasen kombiniert Daniel Richter aktuelle Politik mit romantischen Orientvorstellungen: Als edle Wilde stehen Taliban-Gruppen in karger Landschaft, bewaffnet sind sie mit – Gitarren.
„Nun ja, die Kunst ist frei“, lautete das einzige offizielle Statement, das Daniel Richter am Eröffnungsabend gab. Und manche der Besucher mussten erstmals lernen, dass man von einem Professor, dessen Wiener Direktoratsbezeichnung „Erweiterter Malerischer Raum“ heißt, nicht nur schöne Bilder erwarten darf. HAJO SCHIFF
bis 30. 8. im Kunsthaus Hamburg