: Gesetzestrick für mehr Sicherheit von Patienten
BRUSTIMPLANTATE Oberster Medizinprüfer, SPD und Grüne fordern Nutzenbewertung von Medizinprodukten
CAROLA REIMANN, SPD
BERLIN taz | Im Skandal um defekte Brustimplantate fordert Deutschlands oberster Medizinprüfer Jürgen Windeler strengere Vorschriften für Medizinprodukte, die im Körper verbleiben. „Im Interesse der Patienten sollten die Marktzugangsvoraussetzungen für Medizinprodukte mit hoher Risikoklasse wie Herzschrittmacher, Kniegelenke, Stents oder Hüftprothesen im Grundsatz nicht anders sein als die für Arzneimittel“, sagte Windeler der taz. „Das bestehende Medizinproduktegesetz hängt die Hürden niedrig und ist unbefriedigend“, kritisierte der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).
Eine Neuregelung unterliege jedoch zwingend europäischer Gesetzgebung, betonte Windeler. Angesichts der bisherigen Zurückhaltung der EU-Kommission, an dem bestehenden System zu rütteln, sei er allerdings wenig optimistisch, dass sich zeitnah etwas ändern werde. Im Alleingang können die Nationalstaaten die Zulassungsbedingungen für Medizinprodukte nicht verschärfen – Produkte mit CE-Siegel dürfen EU-weit vermarktet werden.
Als Ausweg plädiert Windeler nun für „eine systematische Nutzenbewertung für sämtliche Medizinprodukte, die im Körper bleiben“. „Ich halte es für sinnvoll, dies im Sozialgesetzbuch V festzuschreiben“, sagte er.
Das Parlament könnte dies ohne Rücksicht auf die EU durchsetzen. Zwar würden die Medizinprodukte damit weiterhin erst mal vergleichsweise lax geprüft auf den Markt gelangen. Aber: Die Hersteller wären gezwungen, anschließend anhand aufwendiger Studien den patientenrelevanten Nutzen ihrer Produkte nachzuweisen. Andernfalls würden diese von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr erstattet.
Die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Carola Reimann (SPD), und die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Birgitt Bender, unterstützen diese Initiative. „Wir werden uns im Bundestag dafür einsetzen, dass Medizinprodukte der höheren Gefahrenklasse auf diese Weise künftig strenger überwacht werden“, sagte Bender der taz. Reimann kritisierte in diesem Zusammenhang den Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), der eine europaweite gesetzliche Verschärfung ablehnt: „Die Lage ist desaströs. Ich verstehe nicht, warum der Minister sich verweigert“, sagte sie der taz.
HEIKE HAARHOFF