: Gericht billigt HIV-bedingte Kündigung
ARBEIT Sebastian F. verlor wegen HIV seinen Job. Bundesarbeitsgericht soll den Fall nun klären
Das Landesarbeitsgericht Berlin hat am Freitag die Klage eines Mannes in zweiter Instanz abgewiesen, der fristlos entlassen wurde, als seine HIV-Infektion bekannt wurde. Sebastian F. hatte sich auf das Antidiskriminierungsgesetz berufen. Er gab an, den Fall zusammen mit unterstützenden Organisationen nun vors Bundesarbeitsgericht bringen zu wollen.
Sebastian F. hatte im Dezember 2010 beim Medizintechnikunternehmen Eckert & Ziegler als Chemielaborant angefangen zu arbeiten. Das Unternehmen stellt Radioisotope zur Krebsdiagnostik her, F. arbeitete in der Qualitätssicherung. Bei einer betriebsärztlichen Untersuchung in der Probezeit wurde er nach einer Infektion mit Hepatitis oder HIV gefragt – und bejahte Letzteres. „Später habe ich erfahren, dass ich gar nicht hätte antworten müssen“, sagt F. Am 6. Januar kündigte ihm das Unternehmen und sprach ein sofortiges Hausverbot aus.
F. erkundigte sich bei der Berliner Aids-Hilfe und der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. „Am Anfang“, sagt er, „wusste ich nicht, ob die vielleicht im Recht sind. Aber je länger ich mich mit dem Fall beschäftigt habe, desto klarer wurde mir, dass es sich eindeutig um Diskriminierung handelt.“ In der Qualitätssicherung habe er ausschließlich Kontakt mit Proben gehabt, die anschließend vernichtet wurden, auch sein Chef hatte eine Ansteckungsgefahr ausgeschlossen.
Mit Unterstützung der Aidshilfe und des Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung ging F. vor Gericht. Die Klage wurde im Juli 2011 abgewiesen, das Landesarbeitsgericht bestätigte dieses Urteil jetzt. F. kündigte am Freitag an, in Revision zu gehen. Er fordert eine Entschädigung, vor allem aber eine rechtliche Klarstellung: HIV soll im Sinne der Gleichberechtigung als Behinderung gewertet werden und damit nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als Grund für Ungleichbehandlung verboten sein.
Vera Egenberger, Geschäftsführerin des Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung, misst dem Verfahren hohe Bedeutung zu: „Es gab bisher bundesweit erst einen anderen Fall, in dem ein Arbeitnehmer wegen Diskriminierung aufgrund von HIV geklagt hat.“ Dieser sei jedoch anders gelagert gewesen. Das AGG verbietet seit 2006, Menschen aufgrund etwa ihrer Ethnizität, Religion oder ihres Geschlechts zu benachteiligen. Krankheiten fallen nicht unter das AGG – ob chronische Krankheiten wie HIV als Behinderung zu werten sind, ist laut Egenberger „bisher ungeklärt“. Ein Urteil wäre nicht nur für HIV-Infizierte wegweisend, sondern auch für andere chronisch Kranke. JULIANE SCHUMACHER