: Straßenkampf wie in echt
Brennende Wannen, prügelnde Polizisten, rennende Autonome: In der Wiener Straße tobt jetzt schon der Krawall. Wer genau hinschaut, entdeckt kleine, aber feine Unterschiede zur Realität
VON PLUTONIA PLARRE
In der Wiener Straße ist ein Polizeibulli in zweiter Spur vor einer Kneipe geparkt. Von der Streifenbesatzung aber ist weit und breit nichts zu sehen. Plötzlich stürzt sich eine Gruppe junger Leute, der dunklen Kleidung nach Autonome, auf den Bulli. Mit Werkzeugen dreschen einige auf das Dach ein, während andere das Fahrzeug mit kräftigen Schaukelbewegungen in Schwung zu bringen versuchen. Die zurückkehrenden Beamten können gerade noch verhindern, dass der Wagen umkippt. Es kommt zu einer wüsten Schlägerei, die erst von hinzustürmenden Uniformierten in Kampfanzügen mit Stockschlägen beendet wird.
Szenen wie diese gibt es in der Wiener Straße zurzeit zuhauf. Bis morgens um drei Uhr tobt der Straßenkampf. In der Nacht von Montag zu Dienstag brannte eine Funkstreife aus, in der vergangenen Nacht wiederholte sich das Schauspiel. Das Ganze wirkt so täuschend echt, dass man glauben könnte, Polizei und Szene liefen sich schon mal warm für den 1. Mai. Wer krawallerfahren ist, erkennt aber auf den ersten Blick: Alles ist Show.
Im Auftrag des Fernsehsenders RTL wird in der Wiener Straße zurzeit eine weitere Folge für die Polizeiserie „Abschnitt 40“ gedreht. Der Inhalt: Neonazis feiern in einem Lokal den Geburtstag von Adolf Hitler, während vor der Tür eine Gruppe Autonomer Stellung bezieht. Die Polizei kommt hinzu und überprüft die Personalien der Neonazis. Sie kann aber nichts machen außer die Feier zu schützen, weil es sich um eine private Party handelt und einer der Rechten an dem Tag selbst Geburtstag hat. Daraufhin entlädt sich die Wut der Autonomen an den Beamten.
Neonazis in Kreuzberg? Ein schwerer Regiefehler. Wohlwissend, dass man so etwas nicht mal einem RTL-Publikum zumuten kann, betont Ester Petri, Assistent Producer von „Abschnitt 40“, denn auch: Alle Schauplätze der Serie seien fiktiv. Der Abschnitt 40 sei frei erfunden und keinem bestimmten Bezirk zugeordnet. Die zehn Protagonisten seien als Streifenpolizisten in Zivil und Uniform berlinweit unterwegs. „Abschnitt 40“ heiße die Serie deshalb, weil der Leiter des wirklich existierenden Abschnitts 41 in Schöneberg-Nord, Peter Glaser, den Drehbuchautor bei allen Details, die die Polizei betreffen, in puncto Stimmigkeit berate.
„Die Autonomen kommen echt gut rüber“, hat ein Anwohner der Wiener Straße festgestellt, der die letzten Nächte kaum geschlafen hat. Nicht, weil er am Fenster hing, sondern weil er vor lauter Krach auf der Straße kein Auge zugemacht hat. Auch die übrige Staffage, Uniformen und Polizeiautos seien täuschend echt. Ester Petri zufolge stammt das gesamte Equipment für die Serie von einem Berliner Polizeiausstatter, einem ehemaligen Polizisten, der für die Produktionsfirmen selbst ausrangierte Wannen vorrätig hält.
In einem Punkt allerdings besteht bei „Abschnitt 40“ noch dringender Nachbesserungsbedarf: „Die Bullen im wirklichen Leben schlagen viel härter zu“, hat der Anwohner beobachtet.