: Die Lidls der Luftfahrt boomen
Die großen Billigfluglinien wachsen schnell. Vom Hunsrück aus bedient Wizz Air nun Osteuropa. Neue Firmen haben keine Startschwierigkeiten. Es wirkt der Supermarkteffekt: Der niedrige Preis ist das wichtigste Argument für die Kunden
AUS FRANKFURT AM MAIN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
Beim Anblick der neuesten Werbeplakate von Ryanair dürfte dem Konzernvorstand der Lufthansa AG die Galle übergelaufen sein. Für 13,99 Euro fliegt die in Irland beheimatete Billigfluglinie die Passagiere von Hahn im Hunsrück nach Klagenfurt. Und weil vergleichende Werbung nun auch in Deutschland nicht mehr verboten ist, teilt Ryanair auch gleich mit, dass Lufthansa vom Rhein-Main-Flughafen aus für – fast – die gleiche Strecke 700 Euro pro Kopf verlange.
Für die paar Euro komme man noch nicht einmal mit einem „Balkanbus“ vom Frankfurter Bahnhofsviertel aus nach Kärnten, ordnete gestern Jörg Schumacher das Ryanair-Angebot ein. Schumacher ist einer von zwei Geschäftsführern des Flughafen Hahn. Genau auf die Passagiere von und nach Osteuropa hat es jetzt die neu den Hahn anfliegende Billigfluggesellschaft Wizz Air mit Stammsitz in Polen und Ungarn denn auch abgesehen. Ab 35 Euro pro Person fliegt Wizz Air nach Warschau, Kattowitz und in die ungarische Hauptstadt Budapest.
Wizz Air ist der Senkrechtstarter unter den Billigfluglinien. In den nur elf Monaten der Existenz der vor allem von einer US-Fondsgesellschaft mit einem Anfangskapital von 35 Millionen Euro ausgestatteten Airline beförderte Wizz Air knapp eine Million Passagiere. Mit sechs Maschinen vom Typ A 320 fliegen die Osteuropäer 32 Zielflughäfen in ganz Europa an. Und noch in diesem Jahr will die neue Osteuropa-Airline schwarze Zahlen schreiben.
Tatsächlich ist die Billigfliegerei weiter eine Wachstumsbranche. Der europäische Marktführer Ryanair etwa kauft bei Boeing aktuell insgesamt 225 neue Flugzeuge. Die Iren wollen damit – und mit der bereits vorhandenen Flotte – in spätestens sieben Jahren in Europa mehr als doppelt so viele Passagiere befördern wie im abgelaufenen Geschäftsjahr 2004. Da waren es rund 35 Millionen. Rasant wachsen auch die beiden deutschen Billigfluglinien Air Berlin und Germanwings. Air Berlin ist nach der Lufthansa AG bereits die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft. Innerdeutsche Flüge sind das Kerngeschäft dieser Airlines. Germanwings etwa plant für 2006 die Verdoppelung der Fluggastzahlen auf dann sechs Millionen Passagiere. Und Air Berlin will schon Ende 2005 knapp 14 Millionen Menschen durch die Lüfte transportiert haben.
In Europa erfolgreich fliegt auch Easyjet. Und alle inzwischen am Markt etablierten Billigfluglinien werden offenbar noch effizienter. Luftfahrtexperten bescheinigen den „Low Cost Carriern“ eine „deutlich höhere Produktivität“ als den Linienfluggesellschaften. Die Maschinen der Billigfluglinien würden nur selten ungenutzt auf den Flughäfen herumstehen und verfügten über wesentlich mehr Sitze als die vergleichbaren Flugzeuge der etablierten Konkurrenz. Und weil sich auch die untereinander konkurrierenden Flughäfen an den Rändern der europäischen Ballungszentren weiter um die Billigfluggesellschaften balgen, werden immer großzügigere Sonderkonditionen bei den anfallenden Start- und Landegebühren eingeräumt – bis hin zum Nulltarif.
Auf einem Diskussionsforum während der letzten Internationalen Tourismusbörse berichteten Marktforscher, dass der Preis für mindestens 60 Prozent der „Luftreisenden“ inzwischen das einzige Kriterium bei der Wahl der Airline sei. Wie bei „Aldi“ garantiert nur der Massenverkauf – in diesem Fall von Tickets – das zum Überleben notwendige Wachstum.
Kleinere Airlines haben das schon zu spüren bekommen. Die erst im vergangenen Jahr von Hahn aus nach Berlin und Sylt gestartete kleine – aber feine – Fluggesellschaft Amadeus Airlines etwa ist schon wieder vom Himmel verschwunden. Und im Februar schluckte die DBA, ehemals eine Tochter der Britisch Airways (BA) und jetzt im Privatbesitz, den kleineren Konkurrenten Gexx. Das ökonomische Gesetz der Konzentration gilt auch für die Billigfliegerei.
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