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Vom Zivildienst zum Vertrauten der Soldaten

Trotz vorangegangener Zitterpartie ist Reinhold Robbe vom Bundestag zum Wehrdienstbeauftragten gewählt worden

Wehrdienstverweigerer Reinhold Robbe hat den Job als Ombudsmann der Bundeswehrsoldaten und -soldatinnen doch bekommen. Bei der Abstimmung im Bundestag über den Nachfolger des scheidenden Wehrdienstbeauftragten Winfried Penner erzielte der SPD-Mann drei Stimmen mehr, als für seine Wahl nötig waren.

Dabei hatte sich der 50-jährige Ostfriese im März nur mit Mühe in der eigenen Fraktion im zweiten Wahlgang gegen seinen Mitbewerber Gerd Höfer durchsetzen können. Kritik hatte es eben wegen Robbes mangelnder Erfahrung mit dem Dienst an der Waffe gegeben. Mehr noch wollten aber viele Abgeordnete SPD-Partei- und Fraktionschef Müntefering einen Denkzettel verpassen. Ihrer Meinung nach hatte Müntefering die Nominierung Robbes ohne ausreichende vorherige Absprachen einfach durchgedrückt. Vorsichtshalber wurde die bereits im März geplante Wahl im Bundestag um einen Monat verschoben.

Das „Vergnügen“ einer Wahl in „Simonis“-Manier, wie es dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen (CDU), vorschwebte, bleib aus. Robbe genießt schließlich auch unter Unionsparlamentariern Sympathien. Seit 2002 hat er sich als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundestags bei ihnen den Ruf des korrekten und fairen Kollegen erworben. Und wie sie setzt auch Robbe sich für die Beibehaltung der Wehrpflicht ein, wie er gleich nach der Wahl sich beeilte, kund zu tun. Künftig wird es seine Hauptbeschäftigung sein, sich über die Sorgen und Nöte der Soldaten und Soldatinnen vor allem bei Auslandseinsätzen zu informieren.

Robbe betont, dass er unter heutigen Umständen den Wehrdienst nicht verweigert hätte. Damals wurde er Zivi, „weil mir als junger Mensch niemand erklären konnte, weshalb ich im Verteidigungsfall auf meine Verwandten in Thüringen und Sachsen schießen sollte“.

Der Mann, der mit 1,95 Meter Körpergröße die meisten seiner Parlamentskollegen und -kolleginnen überragt, gehört dem konservativen „Seeheimer Kreis“ innerhalb der Sozialdemokraten an. Robbe stammt aus einem Arbeiterfamilienhaushalt im ostfriesischen Bunde. Der gelernte Verlagskaufmann trat schon mit 16 Jahren der örtlichen SPD bei und gelangte bis in den Vorstand des SPD-Bezirks Weser-Ems. In seiner Freizeit ist er passionierter Jogger und Radfahrer. Im Bundestag sitzt Robbe seit 1994, wo er auch die Verbundenheit zu seiner ostfriesischen Heimat demonstriert, ist er neben seinem Posten als Fraktionsvorstand doch Sprecher der „Küstengang“, eines Zusammenschlusses der SPD-Abgeordneten aus den fünf norddeutschen Bundesländern. Er ist Mitglied der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe und als praktizierender Christ Mitglied der Frühstücks-Gebetsgruppe im Deutschen Bundestag. Diese Ämter und Tätigkeiten muss er wohl jetzt aufgeben, denn als Wehrbeauftragter darf er nicht dem Bundestag angehören. OLIVER POHLISCH

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