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Archiv-Artikel

Der Vater der Teilung Zyperns tritt ab

Mit der Präsidentschaftswahl in Nordzypern am kommenden Sonntag endet die 50-jährige Ära von Rauf Denktasch. Sein potenzieller Nachfolger Mehmet Ali Talat will die Teilung Zyperns überwinden und strebt nach Europa

VON KLAUS HILLENBRAND

Er hat alles verloren und ist dennoch bis zum Ende der Sieger geblieben. Seine nationalistischen Nachfolger: chancenlos. Seine Unterstützung im Volk: so dürftig wie nie. Politische Hilfe von der „Mutter“ Türkei: Fehlanzeige. Und doch ist sein Lebenswerk, die Teilung Zyperns, bis heute unangetastet.

Die Rede ist von Rauf Denktasch. Am Sonntag endet mit den Präsidentschaftswahlen in der international nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern eine Ära von fast einem halben Jahrhundert, die von dem kleinen untersetzten Mann mit dem verschmitzten Lächeln geprägt worden ist. Präsident Denktasch, 81 Jahre alt, tritt nicht mehr an. Sein Nachfolger steht mit Mehmet Ali Talat so gut wie fest.

Rauf Denktasch, Rechtsanwalt und Freund aller Süßigkeiten, hat der Insel seinen Stempel aufgeprägt, auf dem fett geschrieben steht: Teilung. „Die Teilung ist der Grundstein für Frieden auf Zypern“, lautet sein Credo bis heute.

Schon in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts förderte er die nationalistische Terrorgruppe TMT, die im Bürgerkrieg gegen die Inselgriechen die Teilung Zyperns als ordnungsstiftende Lösung mit Bombenattentaten gegen die eigenen Landsleute empfahl. Nach dem Zusammenbruch des gemeinsamen Staats 1964 verfolgte er seine Linie weiter – immer eng an der Seite der Türkei. Mit der Invasion in Nordzypern durch türkische Truppen 1974 kamen Denktaschs große Jahre: Er wurde zum Präsidenten eines Staates, der bis heute nur von Ankara anerkannt ist.

Denktaschs Lebenshaltung entspringt dem Konflikt mit der griechischen Mehrheit. Gegen deren rigiden Nationalismus, so glaubte er, hätten die Inseltürken nur eine Chance, wenn sie ihrerseits geschlossen für Trennung und Autonomie stünden. Letztlich führte das die türkischen Zyprioten zwar in ihre eigene Bananenrepublik von Ankaras Gnaden und mit 30.000 türkischen Soldaten, aber auch in Isolation und Verarmung.

Doch dass sich die Zeiten ändern, das wollte oder konnte der gewiefte Taktierer nicht anerkennen. Als das reiche Europa Zypern seine Avancen machte, blieb Denktasch stur bei seiner nationalen Linie. Als sein Volk zur Jahrtausendwende zu rebellieren begann und mit immer größeren Demonstrationen europäischen Wohlstand und ein gemeinsames Land mit den Griechen verlangte, prägte er den Satz: „Nur unsere Esel sind Zyprioten“ und verneinte damit, dass es so etwas wie ein zypriotisches Nationalgefühl geben könne. Bei den Parlamentswahlen im Jahre 2003 verloren seine Lakaien die Mehrheit. Neuer Premier wurde der Wortführer der Demonstranten, Mehmet Ali Talat. Denktaschs Macht begann zu bröckeln.

Sie schwand endgültig, als die Türkei unter Premier Tayyip Erdogan auf die europäische Karte setzte. Denktasch und sein Kleinstaat wurden zum Ballast. Vor fast genau einem Jahr wäre Zypern wieder vereint worden, wenn es nach dem Willen der UNO, der EU, Griechenlands und der Türkei gegangen wäre. Da erwiesen die Inselgriechen und ihr Präsident Tassos Papadopoulos dem alten Denktasch einen letzten Dienst und lehnten den gemeinsamen Bundesstaat ab.

So überdauert Denktaschs Lebenswerk der Teilung seine eigene Macht. Und sein potenzieller Nachfolger Mehmet Ali Talat hat daran schwer zu knabbern. Nationalistische Kreise unter den Griechen versuchen den 52-jährigen Linksliberalen als „neuen Denktasch“ zu brandmarken, dem nicht zu trauen sei. Papadopoulos verweigert bisher ein Treffen mit Talat. Die EU blockiert die erhoffte Friedensdividende in Form direkter Wirtschaftsbeziehungen für die Zustimmung der Inseltürken zur geplatzten Wiedervereinigung.

Dabei ist der Bauernsohn und gelernte Elektroingenieur Talat ein Gegenbild Denktaschs in vielerlei Hinsicht. War dem einen Nordzypern das Ziel aller Wünsche, strebt der andere nach Europa. Rühmte sich Denktasch seiner exzellenten Kontakte zu türkischen Generalen, kann Talat auf seine engen Beziehungen zur neuen türkischen Elite der Unternehmer verweisen. Und waren Begegnungen des alten Präsidenten mit griechischen Zyprioten seltener als eine Mondfinsternis, spricht der voraussichtliche Nachfolger gerne und häufig mit den Landsleuten im Süden.

Eine Lösung der Blockade des Zypernkonflikts freilich liegt zuallerletzt in Talats Händen. Die UNO wartet auf ein Signal der Inselgriechen, denen ihr Nein zur Friedenslösung von 2004 international bis heute schwer zu schaffen macht. Doch nach seiner Wahl könnte es schon bald zu einer ersten Begegnung zwischen Talat und Papadopoulos kommen, munkeln Diplomaten. Ankara drängt ohnehin: Bis zum Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen im Oktober soll der Zypernkonflikt den Gegnern einer Erweiterung nicht länger als Vehikel für eine Ablehnung der eigenen EU-Mitgliedschaft dienen.

Einer freilich will sich der zypriotischen Einheit weiterhin entgegenstellen: Rauf Denktasch. „Wir werden uns bemühen, mit einer neuen Gruppe die Wiedervereinigungspläne zu bekämpfen“, versprach der scheidende Präsident im letzten Monat.