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Archiv-Artikel

Hilfe noch am Tag der Tat

Niedersachsen will flächendeckend Beratungsstellen für Opfer häuslicher Gewalt einrichten. Auch die Frauenhäuser loben das Projekt. Der Haken an der Sache: Die Mittel pro Stelle werden dabei gekürzt

von Kai Schöneberg

„Das Dunkelfeld ist erhellt worden“, sagt Ulla Schobert vom Verdener Frauenhaus. Da Schobert auch noch jahrelang für die Grünen Kommunalpolitik in der niedersächsischen Kleinstadt gemacht hat, ist es schon etwas Besonderes, wenn sie ein Projekt der CDU-Sozialministerin Ursula von der Leyen lobt: Die landesweite Ausdehnung des Modellprojekts Beratungs- und Interventionsstellen für Opfer häuslicher Gewalt (BISS), wie es außer Niedersachsen nur Mecklenburg-Vorpommern plant.

Vor drei Jahren war in sechs Regionen des Landes ein neues Hilfskonzept für geschlagene Frauen eingeführt worden – jede vierte Frau ist laut Studien bereits zu Hause Opfer geworden, sieben Prozent haben sexuelle Übergriffe erlebt.

Die BISS-Beraterinnen warten nicht, bis sich die meist verschüchterten Frauen melden, sondern sie kontaktieren die Betroffenen selbst, sobald sie von der Polizei über den Übergriff informiert worden sind – meist noch am Tag der Tat. „Wir können so auch Frauen helfen, die wir früher nie erreicht haben“, sagte von der Leyen. Die Polizei hatte in Niedersachsen 2003 mehr als 7.000 Fälle häuslicher Gewalt registriert – die Dunkelziffer liegt aber wohl viel höher.

In den Modellregionen wurden im Jahr 2003 knapp 2.000 Fälle häuslicher Gewalt bearbeitet. Laut wissenschaftlicher Begleitstudie gelang den BISS-Leuten in vier von fünf Fällen die Kontaktaufnahme mit den Opfern, davon wiederum nahmen 91 Prozent das Angebot an. Die BISS vermittelte weiter: an Frauen- und Opferhilfehäuser, Gerichte oder den Weißen Ring.

In knapp einem Drittel der Fälle wurden prügelnde Gatten für 14 Tage des Hauses verwiesen – das ermöglicht das 2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz. In Osnabrück schickt die Polizei mittlerweile nicht nur ein Fax an die BISS, sondern auch an das Jugendamt, das innerhalb einer Woche per Hausbesuch checkt, wie es den Kindern geht. Bei zwei Dritteln der Gewaltfälle ist Nachwuchs im Spiel. Übrigens: Nur in fünf Prozent der Fälle half die BISS Männern.

Raus aus der Ecke der Scham. In Verden habe die BISS „viele Frauen ermutigt“, sagt Ulla Schobert. Dort ist die Zahl der bearbeiteten Fälle von 195 im Jahr 2002 auf 260 im Jahr 2004 gestiegen. Und natürlich hat die Geschichte einen Haken: Bis 2008 sollen zwar allen 33 Polizeiinspektionen in Niedersachsen Beratungsstellen zugeordnet werden, dafür kürzte von der Leyen die Mittel pro BISS-Stelle: von 70.000 auf 50.000 Euro. „Damit ist das überhaupt nicht machbar“, sagt Schobert, die „bewährte Struktur“ könne in Verden nur durch Zuschüsse des Landkreises aufrecht erhalten werden. Schobert befürchtet, dass anderswo bestehende Beratungsstellen eingedampft werden: „Frauen, die sich selbst melden, haben dann lange Wartezeiten“.

Das Sozialministerium rechtfertigt die Kürzungen: „Natürlich gab es in der Modellphase höhere Mittel“, sagt eine Sprecherin. „Wenn man etwas Neues entwickelt, ist der Aufwand höher.“