: Das hat sie vom Papa gelernt …
Mit Hohlmeiers Abgang ist auch das System Strauß in Bayern beendet: Ungehemmte Intrigen und offener Betrug passen nicht mehr zum neupreußischen Führungsstil Stoibers
BERLIN taz ■ Monika Hohlmeier ist daran gescheitert, dass sie Politik betreiben wollte wie einst ihr Vater Franz Josef Strauß. Dass sie nicht im entferntesten dessen Format besaß, hat sie dabei übersehen. Rätselhaft bleibt, warum Edmund Stoiber ihr so lange Rückendeckung gewährte.
„Man hat ja immer gedacht: Schlimmer kann es jetzt zumindest nicht mehr werden.“ So witzelte unlängst ein Mitarbeiter der CSU-Landesleitung, als es mal wieder um das Thema Monika Hohlmeier ging. Stimmt, das war wohl der einzige Trost, der vielen in der Partei kurzzeitig blieb, wenn die Strauß-Tochter mal wieder ungewollt in die Schlagzeilen geraten war: Weil sie als Bezirksvorsitzende Kollegen im Münchner CSU-Vorstand mit internen Dossiers unter Druck setzen wollte. Weil sie als Kultusministerin zwischen Partei und Ministerium nicht so recht zu trennen wusste. Weil sie sowohl Öffentlichkeit als auch Landesregierung den eklatanten und selbst verschuldeten Lehrermangel im Freistaat verschweigen wollte. Die Liste ist ziemlich lang, doch auf eines konnte man sich am Ende immer verlassen: Es würde noch schlimmer werden. Garantiert.
So war auch das Unheil, das im Laufe dieser Woche scheinbar unvermittelt über Monika Hohlmeier hereinbrach, lange abzusehen. Denn der als Wahlfälscher verurteilte Ex-JU-Funktionär Eberhard D. hatte die Kultusministerin bereits im vergangenen Sommer als „Drahtzieherin“ der massiven Manipulationen bei Abstimmungen innerhalb der Partei beschuldigt und der Staatsanwaltschaft alle Details des belastenden Telefongesprächs zwischen ihr und dem Landtagsabgeordneten Joachim Haedke berichtet. Nur: Damals war unklar, wie glaubwürdig Eberhard D. ist.
Mittlerweile aber hat ihm die Staatsanwaltschaft ihr Vertrauen geschenkt, zudem fand die neuerliche Aussage nicht in einem Vernehmungszimmer, sondern in aller Öffentlichkeit vor dem Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags statt. Mal ganz davon abgesehen, dass sich die wohlklingende Formulierung einer „Dirigentin der Fälschungen“ wunderbar zur Schlagzeile eignete – und zudem jenes Bild treffen dürfte, das Monika Hohlmeier lange Zeit von sich selbst gehabt haben dürfte: Wahlweise als Dirigentin, nach der sich im Parteiorchester jeder zu richten hat, oder als Drahtzieherin, die ungehemmt die Puppen tanzen lässt.
Denn so hat sie es ja gelernt von ihrem Vater Franz Josef Strauß, dessen Art, Politik zu betreiben, ihren eigenen Stil nachhaltig geprägt zu haben scheint. Denn FJS, der gerade in ländlichen Regionen Bayerns bis heute beinahe gottgleich verehrt wird, trickste, täuschte, intrigierte, log und betrog, wie es ihm gerade in den Kram passte. Weil der Freistaat auch dadurch einen wirtschaftlichen Höhenflug ohnegleichen erlebte, sehen viele CSU-Anhänger über das „Amigo-System“ immer noch schulterzuckend hinweg.
Wenn nur die Hälfte der Vorwürfe, die im Laufe des vergangenen Jahres gegen Monika Hohlmeier laut wurden, zutreffen, dann hat sie – die lange als hoffnungsvollstes Nachwuchstalent der CSU galt und gar als Nachfolgerin von Edmund Stoiber gehandelt wurde – ebenso unverfroren und machtbesessen agiert wie einst ihr Vater. Wie unangreifbar sie sich gefühlt haben mag, belegen neben den unverhüllten Drohungen gegen enge Parteikollegen auch scheinbar nebensächliche Details: So wetterte sie als Kultusministerin stets lautstark gegen Gemeinschaftsschulen – und schickte ihre Tochter auf eine Waldorf-Schule.
Nur hat Hohlmeier bei ihrem Vorgehen manches übersehen: Ihr fehlten sowohl Charisma, Format als auch die Macht, um damit tatsächlich auf Dauer erfolgreich zu sein. Zudem passte die ungehemmte Klüngelwirtschaft, die sie in ihrem Münchner CSU-Bezirk betrieb, nicht mehr zum neuen, eher preußisch geprägten Führungsstil von Ministerpräsident Edmund Stoiber, der sich schon vor Jahren öffentlich von den Amigo-Schweinereien seines Ziehvaters Strauß distanzierte. Schließlich waren aus der Ära FJS noch eine Menge innerparteilicher Erzfeinde übrig, die gern die Messer gegen Hohlmeier wetzten. Da mussten sich Journalisten ebenso wenig über einen Mangel an vertraulichen Informationen aus der CSU beklagen wie zuletzt sogar die Opposition im Untersuchungsausschuss.
Nur der Rückendeckung durch Edmund Stoiber hatte es Hohlmeier zu verdanken, dass sie ihren Posten nicht schon lange vor dem gestrigen Nachmittag räumen musste. Warum sie der Ministerpräsident, der unliebsamen Kabinettsmitgliedern schon für erheblich weniger Verfehlungen mitleidlos einen Fußtritt verpasst hat, so lange schützte, blieb rätselhaft. Zum einen, so mutmaßte jüngst die FAZ, könnte er sich davor gescheut haben die „Traditionslinie“ der Familie Strauß so ruhmlos zu beenden. Andererseits gab es immer wieder Gerüchte, Hohlmeier verfüge über belastende Interna aus jener Zeit, in der Stoiber als engster Mitarbeiter von Franz Josef Strauß galt. Beweise dafür gab es aber nie.
Am Ende konnte und wollte aber auch Stoiber seine Ministerin nicht mehr retten. Angesichts der erneut überaus schmutzigen Umstände ihres zweiten Rücktritts innerhalb eines Jahres – im August 2004 hatte sie nach der „Dossier-Affäre“ ihr Amt als Münchner CSU-Chefin niedergelegt – erscheint es höchst unwahrscheinlich, dass Monika Hohlmeier noch einmal an wichtiger Stelle in die Politik zurückkehren wird. Auch die von der Parteispitze favorisierte Abschiebung auf ein Bundestagsmandat ist als letzter Ausweg in weite Ferne gerückt. Die Ära Strauß in Deutschland und Bayern ist seit gestern Nachmittag wohl endgültig beendet.
JÖRG SCHALLENBERG