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Archiv-Artikel

Sehr geehrter Hans-Werner Sinn,

Deutschland wird wieder die 3-Prozent-Defizitgrenze des EU-Stabilitätspakts überschreiten. Deutschland hat 5,2 Millionen Arbeitslose. Deutschland hat ein geringes Wirtschaftswachstum. Deutschland steckt in der Krise. Sie sind mittlerweile einer der gefragtesten Experten, an dem keine „Christiansen“, kein Spiegel, kein Stern und keine Frankfurter Allgemeine Zeitung vorbeikommt. Wir meinen, auch die taz nicht. Deshalb wünschen wir uns von Ihnen, dass Sie uns Hoffnung geben und einen Ausweg aus der Krise aufzeigen – allerdings ohne die Worte „Standort“, „Lohnnebenkosten“, „Wettbewerbsfähigkeit“, Flexibilität“ und „Politik“ zu verwenden.

Können Sie uns diesen Wunsch erfüllen?

Liebe taz,von den Siegern des Ersten Weltkriegs gedemütigt, durch die große Inflation verarmt, von der Weltwirtschaftskrise getroffen, den Verführungen des Faschismus erlegen, mit tiefen Wunden schuldig überlebend und vom Kommunismus gepeinigt haben die Deutschen das schrecklichste Jahrhundert ihrer Geschichte durchstanden und zu Einheit und Freiheit zurückgefunden. Ermattet und noch betäubt von den unglaublichen Geschehnissen, in die sie verstrickt waren, kurieren sie ihre Wunden und versuchen, neue Zuversicht zu schöpfen. Schwach sind die Überlebenden geworden, aber sie sind reifer und klüger.

Die Welt dreht sich weiter. Dass sie wieder vor großen Herausforderungen stehen und handeln müssen, wissen die Deutschen. Die Globalisierung werden sie besser meistern als die Krisen der Vergangenheit. Von der Gischt, die nun kommt, werden sie sich nicht umwerfen lassen, weil sie der Gefahr offensiv begegnen. Sie werden ein Boot bauen, auf das Meer hinaussegeln und sich von den Wellen in die Weiten der Welt treiben lassen.

Herzlichen Glückwunsch zu dem erfolgreichen Blatt.

Hans-Werner Sinn