HAMBURGER SZENE VON REBECCA CLARE SANGER : Alte Damen
Natürlich dürfen alte Damen keine Haustüren aufmachen. Oder nur sehr vorsichtig, falls vor den Haustüren Ganoven warten, die die Wohnung plündern und schnurstracks mit ihrer zwölfköpfigen Familie dort einziehen. Gleichermaßen dürfen alte Damen nichts telefonisch einkaufen. Internet haben sie ja zum Glück meistens nicht, ansonsten wäre all ihr Geld schon längst in Nigeria, wo nur noch 1.000 Euro zu einer Auszahlung des Gesamterbes von 500.000 Euro fehlen. Und so heben am besten alte Damen keine Telefonhörer ab und persönliche Informationen rücken sie schon gar nicht raus.
Die Wohnung im ersten Stock des Wohnhauses in der Straße beim Hafen steht leer. Als eine beige gekleidete, freundliche und vielleicht auch zu gutmütige alte Dame mit einer Plastiktüte von der Reinigung zur Haustür hineingeht, fragen wir sie, wer der Vermieter ist. Dies weiß sie nicht zu beantworten, aber ihre Nachbarin, die schon seitdem das Haus gebaut wurde hier wohnt, die weiß das.
Das Haus hat einen sauberen Treppenflur, in dem es nach Essen riecht. Im dritten Stock öffnet die Nachbarin argwöhnisch die Tür. „Die Damen wollten wissen, wer der Vermieter ist“, fragt unsere Begleitung. „Das werde ich Ihnen gerade verraten“, faucht die Nachbarin uns an.
Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns höflich zu verabschieden. Wir gehen die Treppen hinunter, hören von oben: „Du bist ja doch alleine zur Reinigung gegangen!“