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Archiv-Artikel

Ein Glück für Bremen!

Exsenatssprecher organisiert als Uni-Lehrkraft „Ringvorlesung“ über die „Zukunft der Stadtstaaten“. Kritiker der Bremer Interessenlage kommen dabei nicht zu Wort

Der stadtstaatliche Filz hat die Universität eingesponnen

Bremen taz ■ Zum Glück hat die Bremer Uni nicht nur 12 Fachbereiche, wie es im Vorlesungsverzeichnis steht, sondern auch eine „13. Fakultät“ in Anführungsstrichen. So nennt man im Uni-Jargon die Hochschullehrer, die der Uni aus dem politischen Bereich „zugeschoben“ wurden. Da taucht hin und wieder ein neues Gesicht im Personalkörper der Uni auf, ohne dass es eine Ausschreibung gab oder auch nur eine freie Stelle. Sozusagen „umsonst“, jedenfalls für den Etat der Universität, sind diese Dozenten. Die Kosten für sie finanziert „die Politik“ irgendwie zusätzlich zum Etat der Uni – als klebte die Stelle auf wunderbare Weise an den Personen, die auf den Campus wechseln.

Auf diese Weise lehrt der frühere stellvertretende Pressesprecher des Senats, Stefan Luft, inzwischen an der Universität und kümmert sich um Praktikumsplätze, der frühere Wirtschaftsstaatsrat Frank Haller hält Seminare und Vorlesungen – und ebenso der Exstaatsrat für Finanzen, Günter Dannemann.

Luft hält Vorlesung und Seminar über seine frühere Tätigkeit als Pressesprecher: „Kommunikation in der Politik“ ist der Titel. Dannemann erklärt die von ihm als Staatsrat verantwortete Finanzpolitik der letzten zehn Jahre und Prof. h.c. Haller begutachtet bekanntlich seine Arbeit als Wirtschaftsstaatsrat (Sanierungsprogramm) und trägt Rechtfertigungen dafür vor, dass alles gut war, was er früher als Staatsrat gemacht hat.

Der rote Faden dieser Tätigkeiten an der Uni könnte gewissermaßen lauten: „Wir haben nichts falsch gemacht“ – eine Art Betroffenenwissenschaft. Für die Politik lohnt sich der klammheimliche Personalkostentransfer Richtung Universität allemal: Kritische Analysen und andere Querschläge sind nicht zu befürchten, solange die wissenschaftliche Beschäftigung mit der bremischen Politik fest in der Hand ihrer Veteranen liegt.

Das wird in den nächsten Monaten in Bremen in aller Öffentlichkeit vorgeführt: Die Universität organisiert eine öffentliche Ringvorlesung für Studierende und alle Interessierten im alten Polizeihaus. Das genaue Programm steht auf der Uni-Bremen-Internetseite bei „sluft“. Diese Geschichte organisiert also wesentlich der frühere Senatssprecher Luft in seiner neuen Rolle als Mitglied des „Instituts für Politikwissenschaft“. Es sprechen neben Dannemann und Haller, der frühere Gutachter für Bremen, Prof. Wieland, und der derzeitige Berater und Gutachter für den Senat, Prof. Hellermann. Alles hochkarätige Leute, keine Frage, alte Bekannte, die die Bremer Argumente mal mehr, mal weniger wissenschaftlich fundiert vortragen können. Nur eines können sie nicht: erklären, warum außerhalb Bremens die Bremer Argumente nicht so ernst genommen werden. Die Unabhängigkeit, die einen Wissenschaftler auszeichnen sollte, fehlt ihnen.

In der Finanzpolitik, sagt der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel, gibt es kaum jemanden, der die Stadtstaaten-Position vertritt. Solche für die Bremer Politik unbequemen Wissenschaftler werden nicht eingeladen, wenn die „13. Fakultät“ zur Ringvorlesung über die „Zukunft der Stadtstaaten“ lädt. Der Filz in den engen Mauern der Stadt hat offensichtlich die Universität eingesponnen. Der gehört eben auch zum Stadtstaat. Klaus Wolschner

Ringvorlesung „Die Zukunft der Stadtstaaten“, Stadtbibliothek Bremen, donnerstags 17–19 Uhr. Beginn: 21.4. mit Günter Dannemann: „Stadtstaaten in der Krise?!“