: Lauter falsche Frizzen
AUSSTELLUNG Das Potsdamer Filmmuseum zeigt zum 300. Friedrich-Jubiläum den Alten Fritz in der Filmgeschichte: Friedrich war Fälschung, Legende und NS-Propaganda
VON ROLF LAUTENSCHLÄGER
Die Dreharbeiten zu „Der große König“ (1942) besuchte Joseph Goebbels gern und lang – Veit Harlans finsterer Historienschinken über den Feldherrn Friedrich II. waren so recht nach dem Geschmack von Hitlers Propagandaminister. Die Nazi-Filmgröße Harlan nämlich hatte Friedrich zum Retter des Abendlandes stilisiert: „Deutschland ist in einer furchtbaren Krise. Wir leben in einer Epoche, die das Gesicht von Europa verändern wird“, donnert der Film-Friedrich. Dieser Mythos passte in die NS-Kriegspropaganda von Goebbels: Hier klang das Geschützfeuer von Stalingrad durch.
Die NS-Streifen „Der große König“ oder „Fridericus“ (1937), die in Ausschnitten über die Bildschirme flimmern, gehören zu den Schwerpunkten in der Sonderschau „Der falsche Fritz. Friedrich II. im Film“ des Potsdamer Filmmuseums im Marstallgebäude.
Für die Nazis war die Figur Friedrichs des Großen von besonderer Bedeutung, zogen jene doch nach dem Machtantritt Hitlers 1933 eine direkte Linie vom berühmten Preußenkönig (1712 bis 1786) über Bismarck bis hin zum „Führer“ und dessen kriegerischen Plänen. Den Mythos vom preußischen Heimatverteidiger und Eroberer neuen „Lebensraums“ fesselten die Nazis an ihren nationalsozialistischen und inszenierten diesen in diversen Friedrich-Versionen im Film.
Damit zerstörten sie aber Friedrich als historische Figur: „Der NS-Film will den König als zentrale Figur in politischen Filmen nutzen“, betont Guido Altendorf, Kurator der Schau. „Damit scheitert er aber am Vorbild. Die Geschichte wurde gefälscht und den nationalsozialistischen Zwecken passend gemacht.“
Für den deutschen Kinofilm, das zeigt die Ausstellung in zahlreichen Dokumenten, Fotos und Filmbeispielen, war der Alte Fritz von Beginn an („König und Page“, 1910) quasi eine postmoderne Ikone, die beliebig belastbar und ideologisch instrumentalisierbar schien. Der König war als galanter Liebhaber, Feldherr, raubeiniger oder herzlicher König, Flötenspieler, einsamer Machtmensch oder Philosoph in Uniform für jede Rolle recht. Mehr als 40 Produktionen interpretierten bis 1945 den Alten Fritz, darunter waren so populäre Filme wie „Fridericus Rex“ (1920), „Das Flötenkonzert von Sanssouci“ (1930) oder „Es leuchten die Sterne“ (1939).
Der Friedrich auf Zelluloid avancierte bei der Ufa zu der Projektionsfläche für die deutsche Kollektivseele, so Mitkuratorin Annette Dorgerloh. Sein Bild wurde dermaßen gedehnt und verzerrt, dass man sich vor lauter „falschen Frizzen“ gar nicht mehr auskannte.
Interessant dabei ist, dass von den frühen Friedrich-Filmen der 20er Jahre bis zum Nazi-Heldenepos keine direkte Linie führte. Die ersten Friedrich-Streifen waren noch geprägt vom Bild des Romantikers Friedrich, „Die Tänzerin von Sanssouci“ (1920) ging noch weiter: Es ist ein erotischer Streifen und Zeichen gegen den verknöcherten Wilhelminismus. „Nach dem Ersten Weltkrieg wird der Mythos Friedrich in der Richtung beschworen, möglichst tendenzfrei und international gut verkäuflich zu sein“, so Altendorf. Der vierteilige Spielfilm „Fridericus Rex“ (1920 bis 1923) von Regisseur Arzén von Cserépy bildete einen solchen frühen Blockbuster. In der Weimarer Zeit reitet der Alte Fritz in manchen Kinoversionen allerdings schon gegen die Demokratie.
So aufschlussreich die Schau über den Kinohelden Friedrich ist, so beschränkt bleibt sie zugleich – was schade ist. Die Filmgeschichte über den Alten Fritz bricht im Potsdamer Marstall 1945 ab, obwohl die Friedrich-Rezeption in Ost und West bis dato („Friedrich. Ein deutscher König“, 2012, mit Katharina Thalbach) anhält. Es wäre für die Besucher spannend gewesen zu sehen, welche Sichtweisen auf Friedrich weitergestrickt wurden und welche nicht – und welche geschichtspolitischen Bilder sich bis heute, zum 300. Jubiläum, noch halten.
Statt dessen widmet sich die Ausstellung in einem zweiten Kapitel dem berühmtesten unter den „falschen Frizzen“: dem Schauspieler Otto Gebühr. Gebühr prägte das Gesicht unter der Perücke von 1920 bis 1954 in über 15 Filmen. „Seine Majestät“, sollen ihm die Potsdamer auf der Straße zugerufen haben, so populär war er. Die Schau feiert Gebühr als Filmstar. Und lässt dabei eine typisch deutsche Filmschauspielerbiografie, die ungebrochen von Weimar über die NS-Zeit bis in die 50er Jahre reicht, unreflektiert an uns vorüberziehen. Das ist ein Fauxpas. Das Fritz-Double Gebühr hätte entmythisiert werden müssen.
■ Ab heute bis zum 3. März 2013 im Filmmuseum Potsdam. Friedrich-Filme werden als Begleitprogramm gezeigt. Infos: www:filmmuseum-potsdam.de