: Grüne nun doch bereit für die Raketen
Monatelang stritt die Koalition über das Luftabwehrsystem Meads. Nun mehren sich die Anzeichen, dass die Grünen dem 847-Millionen-Euro-Projekt doch zustimmen. Dabei könnte das neue Rüstungssystem viel teurer werden als bislang berechnet
VON ERIC CHAUVISTRÉ
Die Grünen werden im Streit um das Raketenabwehrsystem Meads offenbar einlenken. Die Koalitionsparteien seien sich in der Sache näher gekommen, bestätigte der zuständige Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei der taz. Der grüne Parteirat werde heute über das weitere Vorgehen entscheiden. Es gebe aber noch Unwägbarkeiten, sagte Nachtwei weiter: „Das Projekt ist noch nicht in trockenen Tüchern.“
Nach dem Parteirat wird sich am Dienstag auch die grüne Bundestagsfraktion mit Meads befassen. Am Mittwoch könnte dann der Haushaltsausschuss des Bundestages, wie von den Meads-Befürwortern in der SPD-Fraktion gefordert, die derzeit mit 847 Millionen Euro angesetzten Mittel für die Entwicklung des amerikanisch-deutsch-italienischen „Medium Extended Air Defense System“ freigeben. Dass sich das Bundestagsplenum mit dem Rüstungsprojekt befasst, ist trotz der damit verbundenen Gesamtkosten in möglicherweise zweistelliger Milliardenhöhe nicht vorgesehen.
Nachtwei erklärte, die Bundesregierung wolle den Grünen „auf dem Gebiet der Abrüstung entgegenkommen“. Gleichzeitig wies er Berichte zurück, wonach eine Forcierung eines Programms zum verbesserten Schutz von Bundeswehrsoldaten gegen Mörserangriffe und andere „Gefahren aus dem Nahbereich“ Teil des Deals sein könne. Seit langem wird auch spekuliert, dass Verteidigungsminister Peter Struck den Grünen einen Verzicht auf die Hubschrauber-gestützte Panzerabwehrwaffe Pars-3 angeboten habe, wodurch 343 Millionen Euro eingespart würden.
Zeitgleich mit dem Einlenken der Grünen wurde bekannt, dass die finanziellen Unwägbarkeiten des Projekts sehr viel weiter gehen als bislang angenommen. Der Spiegel berichtet in seiner heute erscheinenden Ausgabe, den an Meads beteiligten Firmen würde das vertragliche Recht eingeräumt, die Arbeit an dem Projekt einzustellen, sobald die bereitgestellten Gelder aufgebraucht seien. Solle die Entwicklung danach weitergehen, müssten den Konzernen alle anfallenden Kosten erstattet werden. In dem als Quelle angeführten neuen Bericht des Bundesrechnungshofes werde außerdem kritisiert, dass den Abgeordneten des Haushaltsausschusses diese Information bislang vorenthalten wurde.
In einem früheren, ebenfalls vertraulichen Bericht hatte der Rechnungshof den auf 3,5 Milliarden Euro angesetzten Kostenplan der Regierung kritisiert und die voraussichtlichen Gesamtkosten auf mindestens 6 Milliarden beziffert. Der Raketenabwehrexperte Bernd W. Kubbig von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung warnt in einer neuen Studie zudem vor den bislang nicht thematisierten hohen Betriebsausgaben des Systems. Aus einem Gutachten der US-Haushaltskontrollbehörde GAO über die Langzeitkosten von Meads lasse sich nach der Beschaffung von Meads auf zusätzliche Ausgaben „von bis zu einer weiteren Milliarde Euro pro Jahr“ schließen.
Kubbig verweist außerdem auf ein vertrauliches Dokument aus dem Verteidigungsministerium, in dem die finanziellen Risiken bei der Meads-Entwicklung als höher eingeschätzt werden, als dies selbst den mit Meads befassten Abgeordneten gegenüber dargestellt wurde.
Stimmt der Parteirat von Bündnis 90/Die Grünen heute der Finanzierung von Meads zu, würde er sich damit gegen die Proteste der Basis hinwegsetzen. So haben sich unter anderem der Bundesverband der „Grünen Jugend“ und der gewichtige baden-württembergische Landesverband deutlich gegen Meads ausgesprochen.