ERIC BONSE ÜBER SANKTIONEN STATT SOLIDARITÄT IN EUROPA : Das Wichtigste fehlt
Europa schwenkt auf Sparkurs um. Angesichts der Schuldenkrise klingt dies wie eine gute Nachricht. Doch die Schlankheitskur, die Kanzlerin Merkel den 25 Unterzeichnern des Fiskalpakts beim EU-Gipfel am Montag verordnet hat, ist bedenklich. Künftig werden Sparkommissare oder andere nicht gewählte Oberaufseher über das Schicksal ganzer Länder entscheiden – siehe Griechenland.
Und künftig werden sich Regierungen gegenseitig vor den Kadi zerren, weil sie die Sparvorgaben nicht einhalten. Wenn der Fiskalpakt wie geplant 2013 in Kraft tritt, wird es möglich, dass Berlin die französische Regierung verklagt, weil ihr Budget nicht den neuen Regeln entspricht – noch vor Kurzem undenkbar.
Gewiss, eine nachhaltige Haushaltspolitik liegt im Interesse aller. Irgendjemand muss schließlich die hohen Defizite abtragen. Aber zum Abbau der Schuldenberge trägt der Fiskalpakt kaum bei; da wäre ein Schuldentilgungsfonds, wie ihn der Sachverständigenrat vorgeschlagen hat, viel besser. Auch zur Lösung der Eurokrise taugt er nicht. Wenn die Schuldenbremsen wirken sollten – viele zweifeln daran, dass sie funktionieren –, dann erst in ein paar Jahren. Bis dahin ist Athen wohl endgültig pleite.
Tragfähig wird die neue Union erst dann, wenn sie ergänzt und erweitert wird. Was noch fehlt, ist bekannt: ein größerer Rettungsschirm, der Italien und Spanien schützt; gemeinsame Staatsanleihen („Eurobonds“), die die absurd hohen Zinsen auf ein erträgliches Maß drücken; und eine politische Union, in der Solidarität endlich wieder großgeschrieben wird.
Bisher lehnt Merkel all dies ab. Doch in Brüssel hoffen viele, dass sie noch umdenkt. Erst wenn die deutsche Politik europäischer wird, kann Europa wieder Hoffnung schöpfen.
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