DIE EU-VERFASSUNG SCHRÄNKT DAS GRUNDGESETZ NICHT WEITER EIN
: Gauweiler ist nicht ernst zu nehmen

Für ein Referendum über die geplante EU-Verfassung spricht einiges. Manche Parteien, wie die FDP, möchten das Volk nur an diesem einen Punkt beteiligen. Rot-Grün wollte dagegen das Grundgesetz generell für plebiszitäre Elemente öffnen. Deshalb kann der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler wohl mit mancher Sympathie rechnen, wenn er jetzt in Karlsruhe ein Referendum über die EU-Verfassung durchzusetzen versucht.

Doch Gauweiler geht es nicht um die bessere demokratische Legitimation oder die gründliche öffentliche Debatte der EU-Verfassung. Der CSU-Rechtsaußen fordert ein Plebiszit vor allem als Symbol für die vermeintliche Dramatik der Situation. Weil die EU-Verfassung angeblich alle Strukturen unseres Staates ins Wanken bringt – Grundgesetz, Parlamentarismus und den deutschen Staat schlechthin – könne eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat auf keinen Fall genügen.

Dabei ist Gauweilers Analyse völlig unseriös, ja geradezu an den Haaren herbeigezogen. Auch nach Inkrafttreten der EU-Verfassung wird alles noch an seinem Platz sein – Grundgesetz, Bundestag, und auch der deutsche Staat wird noch derselbe sein. Sicher haben sich manche bei Schaffung der EU-Verfassung mehr erhofft. Am Ende ist aber (nur) ein neuer Vertrag herausgekommen, der vor allem die bisherigen Grundlagen der EU systematischer und übersichtlicher darstellt. Hier und da gibt es Neuerungen, etwa bei den Abstimmungsverfahren, aber von einer Neugründung der EU als eigenständigem Staat kann keine Rede sein. Sonst hätten die Regierungen von Großbritannien und Frankreich den Verfassungsvertrag ja wohl auch nicht unterzeichnet.

Ein Beispiel für Gauweilers Argumentationsmuster: In der EU-Verfassung steht, das EU-Recht habe Vorrang vor nationalem Recht, also auch vor dem Grundgesetz. Gauweiler macht daraus einen Skandal. Dabei gilt dieser Vorrang bereits seit 1964 – ohne dass das Grundgesetz deshalb unwichtig geworden wäre. Gauweiler ist – zumindest mit dieser Aktion – nicht ernst zu nehmen. Und wer ihn ernst nimmt, will wohl selbst die EU-Integration blockieren. CHRISTIAN RATH