: Dokument der Krise
Jochen Kraus‘ und Andreas Lindls Musikfilm „Input/Output“, der jetzt im Polittbüro zu sehen ist, dokumentiert live die Abhängigkeit ambitionierter Projekte von schlichten finanziellen Zwängen
von Dirk Seifert
Das Produkt am Ende auch zu verkaufen und damit Geld zu verdienen: Das war die Idee für den Film Input/Output, gedreht von den beiden Münchner Regisseuren Jochen Kraus (Tanger Nonstop) und Andreas Lindl, der jetzt im Rahmen einer Review-Tour im hiesigen Polittbüro gezeigt wird. Dabei standen die Chancen, dies umzusetzen, eigentlich sehr gut, denn mit der zum Universal-Konzern gehörenden Plattenfirma „Island / Mercury“ war ein ausreichend starker Geldgeber an Bord.
Im Zentrum des Films steht die Produktion des Albums Universal Monstershark vom Turtle Bay Country Club, dem Studio des Musikproduzenten Matthias Arfmann. Auf diesem Album wollte Arfmann sehr unterschiedliche und illustre Musiker versammeln, die noch nie zusammen gearbeitet hatten: Aus Atlanta (USA) holte er Tony Cook. Der hat von den 70ern bis Mitte der 90er Jahre bei niemand Geringerem als James Brown in der Band getrommelt und sich den Ruf der „human drum machine“ erarbeitet. Von Funk und Soul versteht Cook also jede Menge.
Von ganz anderem Kaliber ist der aus Marokko stammende Mahmoud Guania. Er zählt in seinem Heimatland zu den ganz Großen, zelebriert auf seinen „Hashhush“ genannten dreisaitigen Akustikbass eine Art Trancemusik und wird als „Maalem“, als alter Meister der Gnaoui-Musik verehrt.
Die Kameras waren mit dabei, als sich Arfmann mit den beiden in Marokko bzw. den USA traf. Sie hielten die Lebenssituation der beiden fest, die später in Hamburg Neuenfelde zwischen Apfelbäumen und Airbus auf die näselnden Reggae-Rapper Jan Delay und Patrice, den ehemaligen Fun-Punker und Theaterregisseur Schorsch Kamerun und die ehemalige zweite Hälfte der Kastrierten Philosophen, Katrin Achinger, trafen.
Songs wie „Part of the industry“ oder „The business of music“ nahmen bald Form an; sie setzen sich mit dem Spannungsverhältnis von kreativer Musik und Musikindustrie auseinander. Doch während sich die Protagonisten im Studio zu zahllosen Sessions versammelten und sich musikalisch verständigten, geriet das ganze Projekt unversehens aus anderen Gründen ins Wanken: Die Musikindustrie schwächelte angesichts schwindender CD-Verkäufe und sinkender Einnahmen. Kurzerhand wurde also umstrukturiert, verschmolzen und entlassen. Auch die Produktion von Universal Monstershark traf dies hart: Kurz vor Fertigstellung des Projekts wurden die Gelder gestrichen, und Arfmann stand plötzlich ohne Label da: „Island/Mercury“ ging pleite.
Nach unendlich vielen Telefonaten und Meetings schaffte es Arfmann aber noch, ein neues Label aufzutreiben. Das heißt „Motor“ und gehört Tim Renner. Renner wiederum hatte gerade seinen Abschied als Chef von Universal Deutschland, der ehemaligen Konzern-Mutter des ehemaligen „Island/Mercury-Label“, eingereicht. So wurde Renner, der natürlich auch im Film zu hören ist, kurioserweise vom alten Chef zum neuen Chef.
Ohne jeden Werbeetat erschien die Platte Anfang 2003; die Finanzierung für den Film stand in den Sternen. Die bisherige Plattenfirma verlangte von Matthias Arfmann sogar noch Geld zurück, obwohl die Firma selbst den Vertrag aufgekündigt hatte.
Bei all diesen Ereignissen und Verläufen war das Filmteam mit der Kamera dabei, und so wurde der Film ungewollt zu einer Art Zeitzeugnis über die Krise der Musikindustrie. Er zeigt auf, wie schnell und hart das Business zuschlagen kann und wie wenig es der Musikindustrie im Angesicht sinkender Verkaufszahlen um künstlerische Inhalte geht.
Aber Input/Output ist natürlich auch ein Musikfilm mit spannungsgeladenen Songs. Zum Beispiel in der Funk-Elektro-Nummer mit Schorsch Kamerun, der in „So sehr“ über diejenigen, die ausgegrenzt werden und diejenigen, die darüber entscheiden, singt. Oder das wunderbare Duett „Heaven“ von Patrice mit der aus Kenia stammenden und in Köln lebenden Sängerin Onejiru.
Nach der Filmpräsentation im Polittbüro gibt es noch ein Schmankerl live zu hören: Mit Tony Cook am Schlagzeug, Arfmann an der Gitarre und am Sampler sowie Onejiru als Sängerin gibt es „Universal Monstershark.“
Di, 26. 4., 20 Uhr Polittbüro, Steindamm 45. Im Anschluss an den Film gibt es ein Konzert von Tony Cook, Onejiru und Matthias Arfmann