: ACHSE DES HOUSE VON TIM CASPAR BOEHMETribalistische Rhythmen
Alan Abrahams kennt man, sofern man ihn überhaupt kennt, als Kopf hinter dem Projekt Portable. Der rastlose Südafrikaner aus Johannesburg, der nach Stationen in London und Lissabon nun in Berlin ankert, mischt in seiner Musik Computerklänge der besonders digitalen Art mit tribalistischen Rhythmen auf grandiose Weise zu einem flirrenden Ganzen, bei dem man unmöglich zwischen elektronischer und außerelektronischer Herkunft unterscheiden kann.
Man muss schon vom Abrahams-Sound sprechen, um dem hybriden Etwas aus seinen Rechnern gerecht zu werden. Getreu seiner ausgesprochenen Beweglichkeit ist Abrahams auch unter dem Namen Bodycode unterwegs. Mit seinem Parallelprojekt zielt Abrahams stärker aufs Tanzflächenpublikum. Ganz gleich, unter welchem Namen er produziert, stets passiert in seiner Musik mehr, als der bewusstseinsinterne Rechner auf einmal verarbeiten kann.
Auch auf „Immune“, seinem zweiten Album als Bodycode, zischt und hämmert es nervös durch das gesamte Frequenzspektrum. Doch Abrahams wirkt ruhiger als früher und weniger auf Störgeräusch-Ästhetik fixiert. In einigen Momenten lässt er sogar Flöten oder Orgeln den Ton angeben. Und wie auf seinem letzten Album als Portable singt Abrahams hin und wieder. So auch im Titelstück mit der Zeile: „Nothing in this world is immune from change.“ Die mangelnde Veränderungsresistenz schadet Bodycode kein bisschen.
■ Bodycode, „Immune“ (Spectral Sound)
Auf großer Fahrt
Was ist ein persönliches Mixtape? Stücke von anderen Produzenten auswählen und in zusammenhängender Form präsentieren – macht sie das zu etwas Eigenem? Mit Fragen dieser Art muss sich die Kölner Produzentin Ada nicht groß herumschlagen. Ihr „Mixtape #1“ ist durch und durch privat. Was es darauf zu hören gibt, stammt alles irgendwie von ihr. Besonders schön daran ist, dass sie trotzdem kein Soloalbum in Mixform abliefert, sondern genügend andere Stimmen zu Wort kommen lässt, wie es sich für einen DJ-Mix gehört. So gibt es einige ihrer Stücke in ursprünglicher Gestalt zu hören, manche ließ sie von Kollegen remixen, der Rest besteht aus eigenen Mixen fremder Stücke. Das Ganze nennt sie elegant und treffend„Adaptations“, und dieser Einfall wäre fast genug, um das Ergebnis hochleben zu lassen.
Es würde der Musik freilich nicht ganz gerecht. Ada machte lange vor dem Retro-Alltag eine House-Variante salonfähig, in der reichlich Raum für Melodien vorhanden war. Der Raum ist über die Jahre noch größer und weiter geworden. Den Reigen eröffnen für Adas wunderbare Werkschau darf Everything-but-the-Girl-Sängerin Tracey Thorn mit ihrem anrührenden „Grand Canyon“. Von da an geht es unaufhaltsam auf große Fahrt, und man sollte es sich gut überlegen, bevor man dieses Reiseangebot abschlägt. Elektronische Musik klingt selten auf so freundliche Weise melancholisch und intim zugleich.
■ Ada, „Adaptations“ (Kompakt)
Erhebliches Stilgefühl
Auch wenn es exotistisch wirken mag: House-Labels aus Japan zeigen ein beängstigendes Gespür für Stil. Ob das am sprichwörtlichen japanischen Sinn für Atmosphäre, an Zen-Meditation oder Ähnlichem liegt, ist unerheblich. Fest steht, dass die Reduktion, wie sie für minimalistische Spielarten des House typisch ist, hier so selbstverständlich und sinnfällig erscheint wie das Innere eines buddhistischen Tempels oder wie die Struktur eines Mineralkristalls wie Monazit. Wer weiß, vielleicht hat das junge Tokioter Label Lantern seine erste Compilation ja aus diesem Grund mit dem Namen „Monazite“ versehen. Die gerade mal dritte CD aus dem Hause weiß auf höchst spartanische Weise zu beeindrucken. Jedes trockene Pochen der Bassdrum, jeder einzelne Akkord, der in bewusstseinserweiternde Endlosschleifen geschickt wird, scheint das Ergebnis allergrößter Konzentration und Versenkung zu sein. Da macht es gar nichts, dass die versammelten Produzenten aus den USA, Deutschland, England oder Russland stammen. Man entschied sich konsequent für Künstler, die Tracks mit hohem Suchtfaktor produzieren. Klappt einwandfrei, sei es mit tiefenwirksamen Dub-Anleihen oder von innen leuchtendem Deep-House.
■ Various Artists „Monazite“ (Lantern)