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Archiv-Artikel

Linke Sonntagsreden

betr.: „Regierung stützt Müntefering – teilweise“, taz vom 19. 4. 05, „Neuerdings sozialdemokratisch“, „Pures Verlangen nach schnellem Geld“, taz vom 20. 4. 05

Es ist interessant, dass der SPD-Vorsitzende erst jetzt die Kapitalisten in die Zange nimmt, während Schröder bisher alles Erdenkliche getan hat, dem Kapital den Hof zu machen. Das Ganze ist dann kurz vor der Wahl in NRW sehr durchschaubar und zeigt, dass die SPD ihre Kapitalismuskritik nicht sonderlich ernst nimmt und nur eine linke Klientel bedienen will. Nach der wird die SPD sehr kapitalistisch weitermachen – der Hartz(er) Käse zeigt es.

KARL-HEINZ KAMMERTÖNS, Dortmund

Kapitalismus und Freiheit. Bourgeois und Proletarier. Milton Friedman und Karl Marx. Und dazwischen? Die wirtschaftliche Freiheit ist die notwendige Bedingung für die politische Freiheit, so Friedman. Im Zeichen der Globalisierung scheint sich diese These langsam aber sicher zu verflüchtigen, gelten doch für Politik und Wirtschaft nicht die gleichen Grenzen und damit nicht die gleichen Gesetze im engeren wie im weiteren Sinne.

Und so wirft der ein oder andere doch einen Blick zurück und entsinnt sich, passend zur Debatte um die Mindestlöhne, an machtvolle, da ökonomisch unumwerfliche Sätze wie: „Der Durchschnittspreis der Lohnarbeit ist das Minimum des Arbeitslohnes, das heißt die Summe der Lebensmittel, die notwendig sind, um den Arbeiter als Arbeiter am Leben zu erhalten.“ Marx oder Friedman, hoffentlich findet Herr Müntefering etwas dazwischen!

MARCEL THIELEN, Dormagen

Erst werden Millionen mit den Hartz-Gesetzen in die Armut getrieben und dann gibt es Balsam für die Entrechteten, die ihren Arbeitsplatz für immer verloren haben. Das ist fadenscheinig. Die mehr als 300.000 Langzeitarbeitslosen, die aufgrund von Hartz IV kein Geld mehr haben, sich in einer gesetzlichen Krankenkasse zu versichern, interessiert diese theoretische Scheindebatte herzlich wenig. Der Arbeitsplatzabbau in Deutschland geht munter weiter – trotz verbaler SPD-Antikapitalismus-Debatten. ALBERT ALTEN, Wernigerode

Aha. Christine Scheel ist also für die soziale Marktwirtschaft. Deshalb ist sie wohl auch Mitglied in der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

Vielleicht hat Frau Scheel einfach noch nicht gemerkt, dass diese Lobbygruppe der Arbeitgeber zwar so heißt, aber alles dafür tut, das Soziale an der Marktwirtschaft abzuschaffen. Vielleicht führen uns aber auch Leute wie Scheel an der Nase herum, indem sie etwas von sozial erzählen, aber knallharte neoliberale Politik unterstützen. Und vielleicht hätte die taz in dem Interview auf diese Ungereimtheiten selbst hinweisen sollen. THORSTEN SAUTER, Düsseldorf

Endlich zeigt wieder jemand Profil.

Als Wahlkämpfer an der Basis hatten wir schon die Hoffnung aufgegeben. Aber viele haben jetzt wieder eine Motivation, die notwendig ist, um die Rüttgers, Westerwelles, Stoibers und Merkels und damit auch die Hundts und Rogowskis dieses Landes in die Schranken zu weisen.

Und auch die Herren Clement und Steinbrück sollten sich wirklich überlegen, welche Klientel sie vertreten wollen. Mit weiteren Geschenken an die Unternehmen wird nur der Staat ausgetrocknet. Gewinnmaximierung und Globalisierung als „modern“ und den Erhalt des sozialen Friedens als „altmodisch“ zu bezeichnen, zeigt, wie weit das Denken dieser Gesellschaft schon in die verkehrte Richtung läuft. FRANK HELDT, Köln

betr.: „Der moderne Müntefering. Mit dem verstaubten Kampfbegriff vom Klassenkampf hat die Wirtschaftskritik des SPD-Chefs weniger zu tun als mit den modernen Theorien der Globalisierungskritik“ von Hannes Koch, taz vom 22. 4. 05

Zwar ist die Feststellung richtig, dass Münteferings Kritik keinem verirrten Traditionalismus, sondern einer gewissen politischen Verantwortung entspringt. Ich verstehe allerdings nicht, warum der Autor den Platz in der Zeitung mit überflüssigen Abwägungen füllt, ob Müntefering damit hinter das Godesberger Programm zurückfällt oder ob seine Kapitalismuskritik verstaubt oder eher modern ist.

Was mir als Bürger sofort auffällt ist doch vielmehr der eklatante Widerspruch zwischen Reden und Handeln! Unternehmen und das Kapital bewegen sich innerhalb von Regeln und Spielräumen, welche die Regierungen via Wirtschafts- und Steuerpolitik vorgeben. Müntefering beklagt sich genau genommen über die Auswirkungen seiner eigenen Politik! Nur ein Beispiel gefällig?

Vor nicht allzu langer Zeit beschloss die Regierung, dass Gewinne von Unternehmensverkäufen steuerfrei gestellt werden. Was passiert? Kapital kauft Unternehmensteile auf, macht diese bilanztechnisch und primär durch Entlassungen wieder fit, um sie so dann nach kurzer Zeit wieder mit attraktiver Rendite zu veräußern. Und nun stellt sich Müntefering hin und geißelt solche Unternehmungen als kurzfristiges Profitdenken. Das ist doch mehr als absurd.

Anstatt Münteferings linke Sonntagsreden auf sozialsemantische Feinheiten hin zu untersuchen, wäre es mehr als geboten, die Diskrepanz zwischen Reden und Handeln kritisch zu beleuchten. Für meinen Geschmack würde ich diese linken Sonntagsreden von Müntefering als dreist einstufen. Mit solcher Art von Artikeln macht man sich unter der Hand zum Kollaborateur der Volksverdummung.

ANDREAS HÖRMANN, Frankfurt am Main

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