Underground aus Überzeugung

LITERATUR Schriftsteller Daniel Dubbe erinnert sich in seinem Buch „Underground oder Die Bewährung“ an seine 70er-Jahre in Hamburg. Herausgekommen ist ein Verlaufsprotokoll seines Denkens

Aus Dubbes Autobiografie lässt sich auch eine Kollektiverfahrung destillieren

Eine Autobiografie bestehend aus einzelnen Erzählbänden, diesem Schreibprojekt hat sich der Hamburger Autor Daniel Dubbe in den letzten Jahren gewidmet. Nachdem er sich in dem Buch „Jungfernstieg oder Die Schüchternheit“ an seine 1960er-Jahre erinnert hat, unterzieht Dubbe in „Underground oder Die Bewährung“ die Siebzigerjahre einer Revision.

Dubbe, 69, hat aufgeschrieben, was sein Gedächtnis ihm zutrug. Er folgt einer poetologischen Position, die er schon immer für sich markiert hat. „Ich wollte mein gegenwärtiges Bewusstsein in Worte übersetzen. Im Grunde wusste ich nicht, was ich schreiben sollte, nur was ich erfassen wollte, das wusste ich: den jeweils gegenwärtigen Moment.“ Hier eben nicht mehr den des Erlebens, sondern den der Erinnerung.

In seinem neuen Buch lässt sich Dubbe wieder als Schriftsteller durch die Kneipen der Hamburger Subkultur treiben. Er löst sich langsam vom Einfluss Rolf Dieter Brinkmanns und sucht seine eigene literarische Stimme. LSD hilft ihm dabei.

Er macht sich langsam einen Namen in der Szene, lernt Stefan Aust, Helmut Salzinger und Helmut Heißenbüttel kennen. Bald gibt er das legendäre Underground-Literaturmagazin Boa Vista heraus. Und doch bleibt er ein Einzelgänger. „Ich fühlte mich immer auf der Kippe, nie als Teil einer Bewegung, ausgerüstet mit guten Absichten und angeblich sicheren Einsichten. Ich verfügte nicht über die angeborene Plapperhaftigkeit und Kritiklosigkeit dem eigenen Geschwätz gegenüber, das manche dazu brachte, ihre Wälzer zusammenzuschmieren.“

Dubbe schreibt das Gegenteil einer dem Leser die eigenen Meriten vorrechnenden Schriftstellerbiografie. Es ist eher ein Verlaufsprotokoll seines Denkens, seiner emotionalen Gemengelage, eben seiner „Éducation sentimentale“. Dass er nebenbei auch so etwas wie eine Karriere hatte, die einige Bücher und andere Publikationen abwarf, scheint ihn nicht mehr zu interessieren.

Heißenbüttel zum Beispiel wird skizzenhaft porträtiert und dass er auch eins seiner Bücher herausgibt, erfährt man nicht. Das ist gar nicht unbedingt Koketterie. Dubbe weiß schon sehr genau, was er kann. Und in anderen Belangen, etwa wenn es um seine vielen Bettgeschichten geht, nimmt er durchaus kein Blatt vor dem Mund. Nur der Kulturbetrieb ist ihm herzlich egal. Dubbe nahm den Underground als Überzeugung und Lebensform viel zu ernst, um auf großer Bühne reüssieren zu können.

Dubbes Motivation ist autobiografisch fundiert, aber womöglich lässt sich daraus auch eine Kollektiverfahrung destillieren. Er erzählt von seinem kleinbürgerlichen Vater, der als Beamter im mittleren Dienst vom sozialen Aufstieg träumen darf, sich dann aber weigert, als KZ-Wärter in Neuengamme Dienst zu tun, zur Strafe an die Ostfront versetzt wird und bald darauf stirbt.

Sein Vater habe nicht verstanden, „was Aufstieg bedeutete: kühl, ohne ein Anzeichen innerer Regung zuzuschauen, wie andere litten oder starben.“ Vor diesem Erfahrungshintergrund wird Underground zum einzigen moralisch vertretbaren Lebensentwurf. FRANK SCHÄFER

Daniel Dubbe: „Underground oder Die Bewährung“. Maro Verlag 2011, 168 Seiten, 14 Euro

Lesung: 12. 2., Literaturhaus Hamburg, 17.30 Uhr