: Putzmeister in Kommunistenhand
Der Deal erregt bundesweites Aufsehen. Der chinesische Sany-Konzern hat den Baumaschinenhersteller Putzmeister in Aichtal für etwa 360 Millionen Euro erworben. Der Kauf eines gesunden Technologieführers in dieser Größenordnung in Deutschland durch chinesische Investoren ist neu. Das Familienunternehmen Putzmeister gehört nun dem reichsten Mann Chinas, Liang Wengen. Während Käufer und Verkäufer ihr Geschäft feiern, fürchten die Arbeiter in Aichtal um ihre Jobs
von Gesa von Leesen
In der Zeitung zu lesen, dass man verkauft worden ist – das ist demütigend.“ Die Wut steht der Putzmeister-Mitarbeiterin ins Gesicht geschrieben. Eigentlich ist die 900-köpfige Belegschaft stolz auf ihre Produkte. Bekannt sind vor allem die riesigen Putzmeister-Betonpumpen, die nicht nur für Wolkenkratzerbauten, sondern vor einem knappen Jahr auch zur Kühlung der Atomruine in Fukushima eingesetzt wurden. Doch nun herrscht in Aichtal Enttäuschung vor. Denn bis der Verkauf in der Zeitung stand, wusste niemand etwas von den Plänen.
„Dieser Stil ist eine Frechheit“, erklärte Gerhard Schamber, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats. „Das lassen wir uns nicht gefallen.“ Für IG-Metall-Chef Sieghard Bender zeugt der überraschende Verkauf „von mangelndem Anstand im Umgang mit der Belegschaft“. Schützenhilfe bekommt er vom Unternehmensrechtler Sebastian Sick der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. „Laut Betriebsverfassungsgesetz muss der Betriebsrat von einer solchen Veränderung vorab informiert werden“, erklärt er. „So etwas aus der Zeitung zu erfahren ist nicht gesetzeskonform.“
50 Millionen für eine Arbeitnehmerstiftung?
Vielleicht hilft das beim Kampf von Betriebsrat und Gewerkschaft. „Kann ja sein, dass erst mal alles beim Alten bleibt, so wie die Geschäftsleitung es ankündigt“, meint Sieghard Bender. „Kann aber auch nicht sein. Wir wollen uns wappnen.“ Norbert Scheuch versteht die Sorge um die Arbeitsplätze, sagt er. „Aber sie ist nicht berechtigt.“ Der Geschäftsführer von Putzmeister rückt nun in den Vorstand des Sany-Konzerns auf und wird künftig für das gesamte Betongeschäft außerhalb Chinas verantwortlich sein.
Den Forderungskatalog der Gewerkschaft hat Scheuch inzwischen erhalten. Die will Tarifverträge zur Standort- und Beschäftigungssicherung bis 2020, Erweiterung der betrieblichen Mitbestimmung und 50 Millionen Euro vom Verkaufserlös für eine Arbeitnehmerstiftung. Metaller Bender grinst. Er weiß, dass die letzte Forderung ungewöhnlich ist. „Aber warum soll nur der alte Eigentümer und nicht auch die Belegschaft vom Verkauf profitieren?“, fragt er. Zumal Altbesitzer Karl Schlecht von Stiftungen so viel halte.
Bender spielt auf die gemeinnützige Karl-Schlecht-Stiftung und die nicht gemeinnützige Karl-Schlecht-Familienstiftung an. Erstere fördert unter anderem zwei Lehrstühle sowie die Weltethos-Stiftung des Theologen Hans Küng. Die Familienstiftung verfügte über 90 Prozent der Stimmrechte der Holding und nahm so Einfluss auf den unternehmerischen Kurs. Stiftungszweck ist laut Satzung „die Unterstützung des Stifters“ und dessen Angehöriger. Die nun erlösten mehrere hundert Millionen Euro fließen laut Pressemitteilung komplett in die beiden Stiftungen.
Ein Zweck von Unternehmen im Stiftungsgewand ist häufig, die Gefahr auszuschalten, dass die Firma durch Nachkommen zerschlagen wird. Diese Frage dürfte auch beim Putzmeister-Verkauf eine Rolle gespielt haben. Zwar hat Karl Schlecht mehrere Kinder, doch die waren offenbar nicht interessiert, oder sie verließen das Unternehmen nach einigen Jahren wieder. Dabei mag eine Rolle gespielt haben, dass Firmengründer Karl Schlecht zwar unbestreitbar erfolgreich war, aber zunehmend als „unberechenbar“ galt, wie Betriebsrat Schamber es formuliert. So belehrte Schlecht seine Mitarbeiter gerne in „Personalmitteilungen“ über die zehn biblischen Gebote, Gandhi-Lehren, „Management by Love“ und Rotary-Grundsätze.
Dass Schlecht rechtzeitig diese Lösung gefunden habe, meint Geschäftsführer Scheuch, nötige ihm Respekt ab: „Hut ab!“ Strategisch passten die beiden Firmen gut zueinander. Die Deutschen bekommen einen starken Partner und können ihre Produkte auch in China an den Mann bringen. Die Chinesen erhalten Zutritt zum europäischen, amerikanischen, indischen, arabischen Markt. Im Bereich Betonpumpen ist Sany nun nach eigenen Angaben der weltweit führende Anbieter. „Putzmeister hat das beste Vertriebs- und Servicesystem“, weiß Gewerkschafter Bender. „Die Kunden legen Wert auf die hohe Qualität der Putzmeister-Produkte, die nicht wie viele chinesische Produkte nur eine Baustelle lang durchhalten.“
Strategisch hält auch er den Verkauf für eine „logische und eventuell gute Entscheidung“. Industriepolitisch allerdings sieht er Probleme für andere einheimische mittelständische Baumaschinenfirmen: „Ob die sich gegen einen solchen mächtigen Konzern am Markt halten können?“ Und er hofft, „dass der Sany-Aufkauf keinen Dammbruch bedeutet für die eigenständigen, familiengeführten Industriebetriebe in unserer Region“. Nicht nur wegen der anstehenden Nachfolgefrage, sondern auch „wegen der oft auftretenden Finanzierungsprobleme der Mittelständler“.
Der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart, Walter Rogg, findet es generell besser, „wenn schwäbische Mittelständler schwäbische Mittelständler bleiben. Denn diese verfügen in der Regel über eine höhere Identifikation mit dem Standort und über eine höhere Standorttreue. Damit sind wir als Wirtschaftsraum auf der sicheren Seite.“ Den Putzmeister-Verkauf will er damit allerdings nicht bewerten. Wenn ausländische Investoren Interesse an hiesigen Firmen haben, sei das auch „ein Zeichen für ihre Qualität und für die Qualität des Wirtschaftstandorts“, meint Rogg.
Es gibt gute und schlechte Erfahrungen mit chinesischen Investoren. So hat 2004 das chinesische Unternehmen Bejing Number One den Werkzeugmaschinenhersteller Waldrich Coburg gekauft. Bis heute läuft der Betrieb gut und wächst. Bei AEG Electric Tools in Winnenden, das seit 2004 dem chinesischen Unternehmen Techtronic Industries gehört, wurde im vorigen Jahr verkündet, etwa 300 Stellen würden ins Ausland verlagert. „Also müssen wir jetzt handeln“, unterstreicht Putzmeister-Betriebsrat Schamber. „Damit es später kein böses Erwachen gibt.“
Gewerkschaft will Teil vom Verkaufserlös
In der Belegschaft glaubt nicht jeder der Geschäftsführung, wenn die versichert, die Marke und die weltweit 3.000 Arbeitsplätze bei Putzmeister blieben langfristig erhalten. In den Krisenjahren 2008 und 2009 rutschte Putzmeister tief in die roten Zahlen und wollte 580 Arbeitsplätze in Aichtal streichen. Durch Kurzarbeit und Verzicht aufs Weihnachtsgeld konnten die Entlassungen auf 70 gedrückt werden. Im vorigen Jahr machte das Unternehmen wieder Gewinn. Auch deswegen will Gewerkschafter Bender die Beschäftigungssicherung und einen Anteil vom Verkaufserlös: „Die Belegschaft hat den Betrieb gerettet. Karl Schlecht hat damals kein Privatgeld in die Firma gegeben – im Gegensatz zu vielen anderen Familien, deren Unternehmen durch die Weltwirtschaftskrise gebeutelt waren.“
Über die Tarifverträge zur Sicherung der Beschäftigung und der Standorte will Putzmeister-Geschäftsführer Scheuch nach anfänglichem Zögern nun verhandeln. Bis 2020 ist ihm allerdings zu lang. „Da müssen wir eine Lösung finden, die der Firma noch genug Luft zum Atmen lässt.“ Exeigentümer Karl Schlecht hält die Forderungen der IG Metall für „reine Dummheit“. Arbeitsplatzgarantien gebe es nicht, erklärt der 79-Jährige. Einen Anteil vom Verkaufserlös abzugeben, lehnt er ab. Schlecht: „Die Firma gehörte nicht mir, sondern der Stiftung.“ Er betont, der Verkauf sei „ein Sieg des Vertrauens“ gewesen. Sany habe sogar auf eine Due Diligence verzichtet, also auf die gründliche Prüfung und Analyse von Putzmeister. „Trotzdem haben wir von Sany das Doppelte bekommen, was wohl ein normaler westlicher Interessent bezahlt hätte“, berichtet Schlecht.
Einfluss auf Putzmeister werde er möglichst nicht nehmen, auch wenn Sany-Chef Liang Wengen ihn „zum lebenslangen Oberberater von Sany“ ernannt habe, und er unterstreicht: „Eine Vergütung dafür habe ich abgelehnt.“ Mit Liang Wengen verbinde ihn Freundschaft, sagt der Maschinenbau-Ingenieur, denn man teile die gleichen Werte.
Mag sein. Auf jeden Fall ist Sany-Chef Liang Wengen ein interessanter Mann. Er hat als Anbieter von Schweißdraht begonnen, heute zählt Sany 70.000 Mitarbeiter in 150 Ländern, der Umsatz lag zuletzt bei fünf Milliarden Euro. Laut Forbes und dem chinesischen „Hurun“-Report ist der 55-Jährige mit sieben Milliarden Euro Privatvermögen der reichste Mann Chinas. Zeitungen meldeten, Liang werde als Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas auf dem Parteitag im Herbst ins Zentralkomitee aufrücken. Erstmals wäre damit ein Privatunternehmer in der Schaltzentrale der Macht angelangt. Liang steht symbolisch für das heutige China: kapitalistisches Wirtschaften unter Anerkennung der führenden Macht der Partei. Die will das 1,3 Milliarden Einwohner zählende Land zu einer wirtschaftlichen Weltmacht aufbauen. Langfristige Entwicklungen im Auge, kauft China Grund und Boden für Nahrungsmittelanbau, sichert sich gezielt Rohstoffe und weiß, welche Hochtechnologien es benötigt. In puncto Maschinenbau ist Deutschland da hochinteressant.