Doch noch nicht kaputt

VERSCHLEISS Wäre es nicht nett, wenn man Kaffee trinken könnte, während einem der alte Toaster repariert wird? Man kann

„Viele erleben jetzt, dass Wachstum nicht endlos weitergeht“

MARTINE POSTMA, INITIATORIN DER REPAIR CAFÉS

AUS AMSTERDAM TOBIAS MÜLLER

Der Neujahrswunsch steht in diesem Café in Amsterdam noch immer an der Wand – in Großbuchstaben: „Ein reparierbares 2012“. An der Erfüllung des Wunsches wird hier gearbeitet. An allen Tischen frickeln, hämmern und schrauben Leute, um kaputte Küchengeräte, Staubsauger, Telefone oder alte Klamotten wieder in Schuss zu kriegen.

Roland Westerlaken, eigentlich Spezialist für Fahrräder, beugt sich über eine Wandlampe, die eine Frau aus der Nachbarschaft geschenkt bekommen hat. Lose Drähte im Stecker, loses Gewinde. Die Reparatur: Keine große Sache für einen Kenner. Zeit für einen Kaffee, der Teller mit Keksen macht die Runde.

Das Repair Café schlägt eine Brücke. Es ist pragmatisch und zugleich politisch, untergebracht, zum Beispiel, im Erdgeschoss eines unscheinbaren Hochbaus in Amsterdam-Oost. Früher war hier ein Hotel. Besucher kommen mit alten Gegenständen, die irgendwann kaputtgegangen sind. Freiwillige, auch sie wohnen meist im Viertel, versuchen, die Geräte wieder zum Laufen zu bringen, nebenher wird geplaudert, am Ende dann vielleicht ein Spende, alles freiwillig.

Vor drei Jahren gab es einen ersten Test in einem anderen Stadtteil Amsterdams. Seither verbreitet sich die Idee immer schneller. 25 Repair Cafés gibt es zwischen Maastricht und Groningen, allein im Januar kamen zwei neue dazu. Die Journalistin und Bloggerin Martine Postma hatte einst die Idee. Seit daraus eine Bewegung wurde, kommt sie kaum noch zum Schreiben. Um alle Cafés zu koordinieren, gründete sie eine Stiftung und kümmerte sich um Subventionen vom Umweltministerium. Mittlerweile zieht sie oft durchs Land, um Neustartern Hilfestellung zu geben. „Eigentlich“, sagt sie und lacht, „sieht es überall aus wie hier.“

Ein Blick ins Innere des Toasters: „Ist es die Feder?“

Die Besucher, das zeigt sich in dem kleinen Raum von fünfzig Quadratmetern, sind meist fortgeschrittenen Alters. Viele kommen, weil sie die teuren Preise für eine Reparatur beim Kundendienst nicht zahlen wollen. Und so gut wie allen widerstrebt die Vorstellung, Geräte einfach wegzuwerfen und dafür schnell ein neues Billigprodukt anzuschaffen. „Ich würde gern etwas ändern“, sagt Kathrine Jonkhoff, eine Frau um die sechzig, die sich eben mit ihrem reparierten Staubsauger verabschiedet und sichtlich erfreut ist, dass sie nun keinen neuen kaufen muss.

Und noch etwas vereint die meisten hier: Sie wuchsen im Wissen auf, dass Reparieren selbstverständlich ist. Theo van den Akker etwa, ein Steuerberater mit schütterem Haar und schwarz umrandeter Brille. Er hat noch das Schnaufen seines Vaters im Ohr, der seine Abende so oft tüftelnd am Küchentisch verbrachte. Van den Akker gilt als Crack der Reparierenden in Amsterdam-Oost. Sagen seine Kollegen. Wenn sie das wieder einmal sagen, wie jetzt, dann winkt er bloß ab und widmet sich dem Toaster von Frau Krak, vom Hersteller mit Schrauben versehen, die nur mit Spezialwerkzeug gelöst werden können.

„Die Hersteller gehen doch davon aus, dass die Kunden einen neuen kaufen.“ Er zuckt mit den Schultern. Frau Krak sagt, das hätte sie auch getan, wenn das Gerät drei Jahre gehalten hätte und nicht nur sechs Wochen. Einfach hängen blieb der Hebel eines Morgens und schnellte nicht mehr nach oben. Und dann diese nervigen Schrauben! Theo van den Akker nimmt erst einmal die Seitenplatte ab und untersucht die Mechanik des Toasters.

„Vielleicht liegt es an der Feder?“, fragt Frau Krak. Der Reparateur schüttelt den Kopf. Die Feder ist es nicht.

Krümel fallen heraus, als er den Toaster umdreht und hinein blickt, ohne etwas Auffälliges zu sehen. Nicht immer gelingt eine Reparatur, brummt er zwischendurch in seinen grauen Bart und prüft langsam Kabel und Kontaktplatten.

Zehn Minuten dauert es, dann hat er’s: Die Verbindung zwischen Hebel und Brotkorb ist unterbrochen. Jetzt noch ein paar Handgriffe, dann ist der Toaster wieder einsatzbereit.

Dass das Innenleben von Geräten nicht nur ein paar Fachkundigen vertraut sein sollte, ist Ronald Westerlakens Anliegen. Ende dreißig ist der Elektromechaniker, der bei mehreren Repair Cafés in der Hauptstadt arbeitet. Natürlich gibt es hier Freiwillige, die das gemeinsame Basteln der Stille ihres einsamen Zuhauses vorziehen, Repair Cafés sind auch eine Art Anlaufstelle im Kiez. Westerlaken aber, in dessen Freundeskreis es wimmelt von Leuten mit zwei linken Händen, will daneben sein Wissen weitergeben. „Am besten wäre natürlich, wenn sie es beim nächsten Mal selbst reparieren können.“

Glaubt man Martine Postma, der Journalistin und Initiatorin des ersten Repair Cafés, werden solche Fähigkeiten in Zukunft ziemlich gefragt sein. Es sei ja nicht nur das ökologische Bewusstsein, das ihrer Idee Auftrieb gebe. Auch die Krise, die zum Dauerzustand wird, schaffe den Repair Cafés eine Nische.

„Viele haben weniger Geld und müssen sorgfältiger mit ihren Dingen umgehen. Sie erleben zum ersten Mal, dass Wachstum nicht endlos weitergeht.“ Darum ist Reparieren für Postma ein politisches Statement. „Wenn du weniger kaufst, wird weniger produziert – und damit werden weniger Rohstoffe und Energie verbraucht. Beides ist natürlich begrenzt, im Gegensatz zur Arbeit. Reparateure wird es immer geben.“

Tüfteln und Basteln, ein politisches Statement

Wird es? Es scheint so. In fünfzehn Städten sollen demnächst Repair-Café-Eröffnungen gefeiert werden. In Amsterdam-Oost tragen unterdessen Besucher funktionierende Geräte nach Hause. Hier und da hört man das Versprechen, Freunden und Bekannten vom Repair Café zu erzählen. Wachstumskritikerin Martine Postma schwelgt. „Wie wäre es“, fragt sie, „wenn wir so viele würden, dass wir durchsetzen könnten, nachhaltigere Produkte herzustellen?“

Und van den Akker, der Crack unter den Reparateuren, beugt sich über das nächste Gerät.