: Raue Schale, süßer Kern
ANANAS Costa Rica ist Exportweltmeister, doch nur ein Bruchteil ist bio wie von der Genossenschaft AgroNorte. Ein Besuch
YORIELY VILLALOBOS MORA
VON KNUT HENKEL
Luis Fernández weist den Weg zu dem geräumigen Schuppen, einen Steinwurf unterhalb des Farmhauses. Dort befindet sich sein kleines Laboratorium. Unzählige blaue Fässer mit Nährlösungen, zahlreiche Säcke mit einem speziellen Kompost lagern hier, aber auch pikante Lösungen, die den Schädlingen den Geschmack verderben. „Chilischoten setzen wir genauso wie Knoblauch und bestimme Ameisen gegen Schädlinge wie Cochinilla oder Tecla ein.“ Während der erste Schädling zu den Asseln gehört, ist der zweite eine Schmetterlingsart, und beide können auf den rund drei Hektar, auf denen Luis Fernández Ananas ausgesät hat, gehörigen Schaden anrichten.
Doch der kräftige Mann hat die Plagegeister im Griff, und Agrartechniker Jeffrey Quiros ist sichtlich zufrieden, als er mit Fernández über die Felder schlendert und hier und da Pflanzen, aber auch junge und ältere Früchte unter die Lupe nimmt. Quiros ist Angestellter von AgroNorte. So heißt die Genossenschaft von derzeit 130 Bauern, die anders produzieren als die großen Plantagen in Costa Rica – ökologisch nämlich.
„Bioanbau steckt in Costa Rica noch in den Kinderschuhen“, erklärt Agrartechniker Quiros. Der Mann von Mitte dreißig arbeitet seit zwei Jahren bei AgroNorte und berät die Bauern, wie man ohne Pestizide und chemische Düngemittel auskommt und die Tier- wie Pflanzenwelt schützt. „Bisher werden Ananas, Bananen, Kaffee und Zucker, die wichtigsten Agrarprodukte, weit gehend konventionell angebaut“, erklärt er. Ein Widerspruch angesichts der unzähligen Bioresorts und Schutzgebiete, die das Land aufweist und für deren Schutz in Kampagnen immer wieder geworben wirbt, erklärt Luis Fernández. Der kräftige Mann, dessen beigefarbenes Hemd sich etwas um die Hüften wölbt, erwartet mehr von einer Regierung, die sich für die Reduzierung der CO2-Emissionen einsetzt und vorhat, bis 2020 klimaneutral zu wirtschaften.
Auch die Landwirtschaft bietet dafür gute Ansätze. „Schließlich wird für die Produktion von Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmitteln auch einiges an fossilen Brennstoffen eingesetzt, und bei der Ananas ist es besonders viel“, ergänzt Quiros. Doch viel Unterstützung von der Regierung in San José haben die Bauern in San Rafael de Gatuso, das im Norden Costa Ricas liegt, nicht zu erwarten. 1997 wurde die Genossenschaft gegründet, seit 2004 wird Ananas angebaut, 2007 wurde die erste Fair-Trade-Ananas exportiert. „Mit 10.000 US-Dollar Schulden und drei Containern hat es damals alles angefangen“, erklärt Yoriely Villalobos Mora lachend. Sie ist die Direktorin von AgroNorte und hat den Absatz kontinuierlich ausgeweitet.
Sieben bis acht Container pro Woche werden derzeit in der eigenen Verpackungsanlage exportfertig gemacht. Die aromatische Ökoware geht in die USA und nach Europa. 2011 waren es rund 400 Container Ananas, die Bauern wie Luis Fernández produzierten. Der baut neben Ananas auch Reis, Yuca (Maniok), Bohnen und Gemüse an. Für die eigene Familie und für den Verkauf auf dem Markt. „Dafür zahlen die Kunden manchmal sogar einen Bioaufschlag“, erklärt er mit einem süffisanten Lächeln. Einfach ist es für den Kleinbauern mit gerade 12 Hektar Anbaufläche nicht gerade. „Ohne die Genossenschaft ginge es nicht, denn die wickelt die Geschäfte ab, kümmert sich um die Verpackung, den Transport, die Preise. Anders wäre nicht leistbar“, betont der Bauer und stapft über das Feld, um einem Mitarbeiter Anweisung zu geben. Der Boden zwischen den Ananaspflanzen ist mit einer Folie abgedeckt, die Unkraut im Zaum halten soll.
Solche Maßnahmen verteuern die Produktion und haben auch schon dazu geführt, dass einige Bauern der Genossenschaft wieder auf die konventionelle Produktion umstellten. Zu teuer heißt die lapidare Begründung von José Gerardo Ramírez, der bis vor einem Jahr auf 19 Hektar biologisch produziert hat. Aber die Konkurrenz ist hart, denn der zweite Bioproduzent, von der Fair Labelling Organization International (FLO) zertifiziert, ist ein Schwergewicht der Branche. Corsicana heißt die Plantage, auf der Bioananas auf annähernd 3.000 Hektar angebaut wird. Da können die kleinen Bauern kaum mithalten.
„Eine echte Herausforderung“, gibt Yoriely Villalobos Mora zu. Die 25-jährige Direktorin der Genossenschaft wirbt bei den Abnehmern für mehr Unterstützung. Doch das ist alles andere als einfach, denn die Nachfrage nach fairer und ökologischer Ananas ist bisher noch relativ schwach. Bei den Kunden hat sich noch nicht herumgesprochen, dass beim Anbau konventioneller Ananas Schädlingsbekämpfungsmittel en gros eingesetzt werden. Davon profitieren die großen Fruchtkonzerne wie Dole und Del Monte, die den Markt im Griff haben und bisher nur punktuell auf Bioananas setzen. Auch bei den Banken haben die Bauern schlechte Karten, denn bei Zinsraten von 17 Prozent geht Kleinbauern schnell die Luft aus, und die Regierung hat bisher keine Anstalten gemacht den Bioanbau zu fördern.
Verlässlich ist da einzig der Fair-Trade-Preis, den Yoriely Villalobos Mora ihren Bauern anbieten kann. Der macht eine Kalkulation möglich, und Biopionier Luis Fernández kommt damit leidlich über die Runden. Aber so gut wie der 48-jährige Biopionier kennen sich längst nicht alle Bauern aus San Rafael de Gatuso mit der Ananas aus. Deshalb ist Fernández auch immer öfter mit Jeffrey Quiros unterwegs, um den Kollegen zu erklären, wie es funktionieren kann – aller Anfang ist schwer.