: Weniger Geld für Behinderte
Die Betreuungsausgaben für Behinderte sollen jährlich um zwei Prozent sinken, Leistungen aber erhalten bleiben. Besonders sparsame Bezirke können Geld behalten
Der Senat und die Bezirke haben sich auf Einsparungen bei der Behindertenbetreuung geeinigt. Eine entsprechende Zielvereinbarung, der jeder Bezirk noch zustimmen muss, ist nach taz-Informationen unterschriftsreif und soll am 1. Juli in Kraft treten. Mehrere Bezirke signalisierten ihre Zustimmung. Betroffen sind nach Angaben der Sozialverwaltung rund 20.000 Behinderte. Die Betreuungskosten liegen derzeit bei rund 500 Millionen Euro pro Jahr.
Mit der Vereinbarung sollen diese Kosten reduziert werden. Und zwar in diesem Jahr um 1 Prozent und im nächsten um 1,5 Prozent. Ab 2007 soll jährlich um 2 Prozent gekürzt werden. Um die Vorgabe zu erfüllen, unterstützt der Senat die Bezirke bei der Finanzierung ihrer Personalkosten: Dadurch steht mehr Personal dafür zur Verfügung. Künftig soll sich ein so genannter Fallmanager um 75 Behinderte kümmern, bislang lag die Zahl deutlich darüber.
Übererfüllt ein Bezirk die Sparvorgabe, darf er die Hälfte des Ersparten behalten. Intern war gefordert worden, diese „managementbedingte Einsparsumme“ Behindertenprojekten zufließen zu lassen. Das geht aus einem Verhandlungsprotokoll hervor, das der taz vorliegt. So sollte der Eindruck vermieden werden, dass „auf Kosten behinderter Menschen zum Beispiel neue Computer angeschafft oder Straßen saniert werden“.
„Unser Ziel ist in erster Linie die Verbesserung der Betreuung der Behinderten“, sagt Regina Kneiding, Sprecherin der Sozialverwaltung. Dies könne durch die Arbeit qualifizierter Fallmanager erreicht werden. Eine Einsparung bedeute nicht unbedingt, dass bei den Behinderten am Ende weniger ankomme: So könne sich der Fallmanager darum bemühen, bestimmte Leistungen von der Pflege- oder Rentenversicherung finanzieren zu lassen. Dafür habe es bislang an Zeit gefehlt.
Martina Schmiedhofer, Grünen-Sozialstadträtin in Charlottenburg-Wilmersdorf, sieht das ähnlich. Bislang habe die Betreuung Fürsorgecharakter. Die ein oder andere Stunde weniger an Betreuung könne zu einem Mehr an Selbstständigkeit der Betroffenen führen. Auch bei den Verträgen mit den Trägern gebe es Sparpotenzial. „Irgendwann gehen die Sparvorgaben aber an die Substanz.“ Deshalb behalte sie sich einen Ausstieg aus der Vereinbarung vor.
Der Behindertenbeauftragte des Bezirks, Hartwig Eisel, kennt die Einzelheiten der Vereinbarung noch nicht, findet es aber falsch, immer bei den Schwächsten zu sparen. Der Senat habe bereits das Blindengeld um 20 Prozent gekürzt. Beim Landesbehindertenbeauftragten hieß es, im Moment könne man dazu wenig sagen. Bei der Runde zwischen den Bezirksbeauftragten und dem Senat in der kommenden Woche werde man aber kritische Fragen stellen. RICHARD ROTHER