Autonome gegen Kreuzberg

Linksradikale Veranstalter sagen die Revolutionäre 1.-Mai-Demo ab und rufen zu Protesten gegen Kreuzberger Myfest auf. Bezirksbeauftragte spricht von „klarer Kampfansage“ und fürchtet Krawalle

VON FELIX LEE

Aus Protest gegen die Verlegung der Demonstrationsroute haben erstmals seit 18 Jahren die Veranstalter des Revolutionären 1. Mai ihren Aufmarsch abgesagt. Birgit Westermann von der „Berliner Anti-Nato-Gruppe“ (B.A.N.G.) hat bereits ihre Anmeldung für die Demonstration um 18 Uhr zurückgenommen. Stattdessen ruft das „Autonome 1. Mai-Bündnis“ nun seine Anhänger dazu auf, „massenhaft“ das Myfest auf der Oranienstraße zu besuchen. „Gewalt erzeugt Gegengewalt“, erklärte ein Sprecher des Bündnisses. Eine Spontandemo schließe man nicht aus. Im vergangenen Jahr hatten Teilnehmer eines solchen Protestzugs die Ausschreitungen provoziert.

Damit scheint das Bezirksamt von Friedrichshain-Kreuzberg mit seinem Konzept des Myfests gescheitert. 2003 und 2004 konnten nach Absprachen die Demos gleichberechtigt neben dem „Myfest“ stattfinden. In diesem Jahr zeigten sich Bezirk und Polizei kompromissloser.

Die Versammlungsbehörde hatte vor einer Woche den Linksradikalen die traditionelle Route vom Oranienplatz über die Oranienstraße zur Mariannenstraße verweigert und ersatzweise eine Strecke vom Moritzplatz über die Heinrich-Heine- und Köpenicker Straße zum Schlesischen Tor zugewiesen. Dieser Weg führe weitgehend durch „menschenleeres Gebiet“ statt wie gewünscht mitten durch Kreuzberg, kritisierte Westermann. Sie wirft Polizei und Bezirk vor, das Myfest nur auszurichten, um gezielt ihre Demonstration zu verhindern.

Silke Fischer von der Bezirksverwaltung, die das Myfest um Mariannen- und Oranienstraße koordiniert, interpretiert die Autonomenankündigung als „klare Kampfansage“. Sie befürchtet jetzt die übliche Mai-Randale, ruft aber zum friedlichen Umgang miteinander auf: „Wir müssen das hinnehmen, denn wir sind keine Bürgerwehr. Diese Grenzverletzung zu ahnden ist ganz klar nicht unsere Aufgabe.“ Die Menschen, die im Kiez lebten, lehnten jegliche Randale massiv ab, so Fischer.

Viele Kreuzberger Linke hatten bisher die Demos am kommenden 1. Mai als wenig relevant eingeschätzt. Die Antifaschistische Linke Berlin (ALB), federführende Organisatorin der Demos in den Vorjahren, hatte sich diesmal aus den Vorbereitungen zurückgezogen, weil ein Großteil ihrer Anhänger am Sonntag nach Leipzig fährt, um gegen den dortigen NPD-Aufmarsch zu demonstrieren.

Gestern aber zeigte ALB-Sprecher Sebastian Lorenz Verständnis für die Entscheidung der übrig gebliebenen Demo-Veranstalter. Das sei die „logische Konsequenz daraus, wie der Senat mit den Veranstaltern umgesprungen ist“, sagte Lorenz. Denn erstmals hätten die Initiatoren des Myfests mit dem Grundsatz gebrochen, dass sich Myfest und politische Demonstrationen nicht im Weg stehen. Lorenz rief nun seine Anhänger dazu auf, rechtzeitig zum Abend wieder in Berlin zu sein.