Wundersame Metamorphose

Borussia Mönchengladbach hat nach dem 2:0-Erfolg gegen den VfB Stuttgart den Klassenerhalt so gut wie sicher. Ausgerechnet Trainer-Fossil Horst Köppel bringt den unerwarteten Erfolg

Mit der Figur Köppel scheint Gladabch das ideale Scharnier gefunden zu haben

AUS MÖNCHENGLADBACHERIK EGGERS

Lässt sich die wundersame Metamorphose erklären? Horst Köppel, der vor zwei Wochen Borussia Mönchengladbach als Coach übernahm, hätte es sich nach dem wichtigen 2:0-Heimsieg seines Teams gegen den VfB Stuttgart (der erste Erfolg gegen die Schwaben seit 1995) wahrlich leicht machen und sich zum Messias stilisieren können. Stoff genug für eine Heldengeschichte war schließlich vorhanden. Nach den Toren Neuvilles (17.) und Sverkos‘ (24.) ist der Klassenerhalt, da Gladbach drei Spieltage vor Ultimo nun formidable fünf Punkte und elf Tore vom Abstiegsplatz trennen, fast in trockenen Tüchern. Dabei war die Mannschaft nicht nur im dritten Spiel unter seiner Regie ohne Gegentor geblieben. Sie hatte die 54.000 Zuschauer im Borussia-Park mit ihrer Leidenschaft durchaus überzeugt. Dennoch: Der 56 Jahre alte Fußball-Lehrer zog es vor, die Dinge in aller Nüchternheit zu betrachten. „Ich möchte feststellen, dass wir noch nicht durch sind“, warnte er also. Und befragt nach dem Zaubertrank, den er den noch unter Advocaat extrem verunsicherten Spielern eingeflößt hatte, antwortete er trocken: „Es gibt keinen Trainer, der Wunderdinge vollbringt.“

Die Häutung einiger seiner Akteure war allerdings frappierend gewesen. War das wirklich Thomas Broich, der, vor Selbstbewusstsein nur so strotzend, von Beginn an mit seinen Sturmläufen auf der rechten Seite die Stuttgarter Vranjes und Lahm der Lächerlichkeit preisgab? War es wirklich Broich, der zudem, nach einem aussichtslos scheinenden Sprint, mit einer Sensationsgrätsche gegen Lahm in der elften Minute die Stuttgarter Führung verhinderte? Ja, hier wirbelte tatsächlich der gleiche Mittelfeldspieler, der noch unter Advocaat auf der Tribüne gehockt hatte. Broich selbst mochte sich dazu nicht erklären und huschte mit einem seligen Lächeln in die Kabine. Köppel indes hatte eine Antwort parat: „Ich habe ihn stark geredet, ihm gesagt, dass er viel besser ist“, sagte er und versuchte, mit einem schönen Ausflug in seine Vergangenheit als Spieler eine angemessene Folie zu finden für seinen Arbeitsstil. „Wenn man sich bei Hennes Weisweiler dreimal festgedribbelt hatte, dann sagte der immer: Beim vierten Mal kommst Du durch“, erzählte Köppel einen Schwank aus seiner aktiven Zeit, „unter Udo Lattek bist du gleich beim ersten Mal zusammengeschissen worden“. Welchem pädagogischen Konzept Köppel zuneigt, ist nicht schwer zu erraten, wenn man sein Credo kennt, „viel mit den Spielern zu reden“.

Natürlich ist es auch die enge persönliche Bindung an die Borussia, die dem Trainer Köppel im Kampf gegen den Abstieg einen nicht zu unterschätzenden Bonus verschafft. Zumal in dieser komplizierten Spielzeit, in der sich Klub und Anhänger nach dem Umzug in das neue Stadion erst finden müssen. Auch deshalb hat das gesamte Umfeld den sperrigen Holländer Advocaat als kalt und technokratisch empfunden, ungewohnt ist immer noch die Atmosphäre im Borussia-Park. Und die Politik des Klubs, sich über den Winter quasi eine neue Mannschaft zu kaufen, befremdete selbst die eingefleischten Fans, die sich einst schwer echauffiert haben über die verhasste Strategie der Bayern, den Markt leer zu kaufen und damit die Konkurrenz zu schädigen. Mit der Figur Köppel scheint nun das ideale Scharnier gefunden, das dringend benötigt wird, um den diffizilen Prozess vom Provinzklub zum Wirtschaftsunternehmen auf maximal harmonische Art und Weise zu bewerkstelligen. Nicht nur, dass der stets freundliche Schwabe einen veritablen Gegenentwurf darstellt zum bärbeißigen Advocaat. Die Warmherzigkeit des früheren Flügelstürmers und Mittelfeldspielers erinnert die vielen Romantiker unter den Gladbacher Fans auch an die familiäre Gemütlichkeit des heimeligen Bökelbergs, der noch lange als Symbol für die „guten, alten Zeiten“ in den 70er Jahren fungieren wird, als dort fünf Meisterschaften und zwei UEFA-Pokal-Triumphe gefeiert wurden. Eine immaterielle Hypothek, die sehr schwer wiegt.

Das ahnt auch Neu-Manager Peter Pander, der offenbar gern den Trainer über die Saison hinaus binden möchte, auch wenn er gar nicht weiß, „ob der Horst überhaupt will“. Köppel scheint zumindest nicht abgeneigt zu sein. „Man soll im Fußball nie nie sagen“, antwortete er auf die Frage, die nun die Gladbacher Agenda beherrschen wird. Bis zum Klassenerhalt, den er am liebsten schon beim nächsten Auswärtsspiel in Hamburg klarmachen möchte, will er aber jede Diskussion darüber unterbinden. Das wird allerdings nicht so einfach sein für ihn, den derzeit wahrscheinlich populärsten Mann am Niederrhein.